Mumia Abu-Jamal ist unschuldig!

Eidesstattliche Erklärung von Rachel Wolkenstein

28. Juli 2001

BEZIRKSGERICHT DER VEREINIGTEN STAATEN ÖSTLICHER BEZIRK VON PENNSYLVANIA


Mumia Abu-Jamal,					)
							)   Case No. 99 Civ 5089 (YOHN)
		Kläger					)
							)
	- gegen -					)
							)
MARTIN HORN, Commissioner der 				)
Abteilung für Strafvollzug des Staates Pennsylvania,	)
und CONNOR BLAINE, Superintendent 			)
der staatlichen Haftanstalt in Greene,			)
		Beklagte.				)
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG VON RACHEL H. WOLKENSTEIN IN UNTERSTÜTZUNG DES ANTRAGS DES KLÄGERS ZUR ÜBERPRÜFUNG DER ABLEHNUNG VON HAFTURLAUB ZUR EIDLICHEN EINVERNAHME ARNOLD BEVERLYS UND IN UNTERSTÜTZUNG DES ANTRAGS DES KLÄGERS AUF EINREICHUNG DES NEUGEFASSTEN UND ERGÄNZTEN ANTRAGS AUF VORFÜHRUNG ZUR HAFTPRÜFUNG [Writ of Habeas Corpus]
Verwaltungsbezirk New York	)
				)  S. S. [beeidete Erklärung]
Staat New York			)

RACHEL H. WOLKENSTEIN, ordentlich vereidigt, bezeugt und erklärt:

1. Ich bin Rechtsanwältin mit Lizenz, im Staat New York zu praktizieren. Ich habe ebenfalls die Zulassung für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten und verschiedene Bezirksgerichte der Vereinigten Staaten. Von 1995 bis Juni 1999 gehörte ich dem Anwaltsteam unter Leitung von Leonard Weinglass an, das den ursprünglichen Antrag auf Post-Conviction Relief [Wiederaufnahmeantrag entsprechend Pennsylvanias Post-Conviction Relief Act, PCRA] von Mumia Abu-Jamal („Jamal“) einreichte und durch die Staatsgerichte Pennsylvanias begleitete.

2. Im Juli 1999 trat ich von Mr. Jamals Verteidigungsteam zurück, weil Hauptverteidiger Leonard Weinglass Mr. Jamal daran hinderte, Beweismittel für Mr. Jamals Unschuld vorzulegen. Unter den entlastenden Beweismitteln, die Rechtsanwalt Weinglass nicht vorlegen wollte, war auch das beeidete Geständnis des Zeugen Arnold Beverly vom 8. Juni 1999, dass er, Beverly, den Polizeibeamten Daniel Faulkner erschossen habe, und dass Jamal „nichts mit der Erschießung zu tun“ hatte. Beverly gestand, dass er und ein weiterer Mann gedungen worden waren, Officer Faulkner zu töten, dass Personen, die dem organisierten Verbrechen angehören und Polizeibeamte an dem Plan zur Erschießung Faulkners beteiligt waren und dass Polizeibeamte bei der Erschießung anwesend waren. Mitanwalt Daniel Williams war ebenfalls mit der Unterdrückung dieser Beweise einverstanden und an ihr beteiligt.

3. Beverlys Geständnis bewies nicht nur Jamals Unschuld, sondern deckte auch das Ausmaß von bewusstem Fehlverhalten seitens Polizei und Staatsanwaltschaft auf bei der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung Mumia Abu-Jamals und der Festsetzung der Todesstrafe für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte. Beverlys Darstellung der Erschießung stand nicht allein, sondern wurde durch eine Fülle von Informationen in den Akten untermauert. Unter anderem stimmte ein Detail aus Beverlys Aussage – er habe eine grüne Armeejacke getragen, als er auf Faulkner schoss – mit den Berichten mehrerer Zeugen überein, dass ein männlicher Schwarzer, der eine grüne Armeejacke trug, an der Schießerei beteiligt gewesen sei. Weder Jamal noch sein Bruder William Cook trugen solch eine Jacke. Beverlys Darstellung, er sei gedungen worden, Officer Faulkner zu töten, stand im Einklang mit der Tatsache, dass mindestens drei FBI-Ermittlungen wegen Polizeikorruption im Stadtbezirk Center City, wo Faulkner zur Zeit seiner Ermordung Dienst tat, im Gange waren und dass mindestens ein weiterer Informant dieser Ermittlungen ermordet wurde. Beverlys Darstellung der Schießerei passte auch besser zu den vorhandenen Sachbeweisen als das Szenario der Staatsanwaltschaft über die Schießerei (welches sachlich unmöglich war). Darüber hinaus trug die Behauptung, Polizisten hätten Beverly angeheuert (zusammen mit der politischen Voreingenommenheit der Polizei gegenüber Jamal), dazu bei, das krasse Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft, das den Fall durchzog, zu erklären. Des Weiteren wurde Beverly einem Lügendetektortest unterzogen, und die Schlussfolgerung des Gutachters untermauerte den Wahrheitsgehalt von Beverlys Darstellung, dass er und nicht Jamal den Beamten erschossen habe. Doch trotz der Fülle des Materials, das Beverlys Darstellung stützt (was im weiteren Verlauf dieser eidesstattlichen Erklärung eingehender besprochen wird), weigerten sich Rechtsanwalt Weinglass und sein Anwaltskollege Daniel Williams hartnäckig, Beverlys Zeugenaussage vorzulegen.

4. Zusätzlich zu seiner Weigerung, das beeidete Geständnis Arnold Beverlys vorzulegen, widersetzte sich und behinderte Rechtsanwalt Weinglass Bemühungen, die Zeugenaussagen zweier weiterer Augenzeugen, William Singletary und Mr. Jamals Bruder William Cook, zu untersuchen, sie auszuwerten und vorzulegen; beide erklärten, dass Jamal den Polizeibeamten Faulkner nicht erschossen habe. Laut Singletary stieg ein mit einer grünen Armeejacke bekleideter männlicher schwarzer Passagier aus William Cooks Volkswagen, schoss auf Faulkner und floh vom Tatort. Singletary sagte auch aus, dass Polizeibeamte sofort nach der Schießerei am Tatort erschienen seien. In einer beeideten Erklärung vom 15. Mai 1999 bestätigte William Cook, dass er in dieser Nacht einen Passagier in seinem Volkswagen gehabt hatte, identifizierte diesen Passagier als seinen Geschäftspartner Kenneth Freeman und erklärte, dass Freeman gesagt habe, er sei an der Erschießung Faulkners beteiligt gewesen und es habe einen Plan gegeben, den Officer zu töten. Rechtsanwalt Weinglass unterminierte die Vorlage von Singletarys Zeugenaussage und weigerte sich, die beeidete Erklärung von Cook vorzulegen.

5. Was William Cook betrifft, so unterließ es Rechtsanwalt Weinglass nicht nur, dessen entlastende Zeugenaussage vorzulegen, sondern täuschte auch das Bundesbezirksgericht durch die erklärtermaßen falsche Darstellung in der Habeas-Petition [Antrag auf Anordnung eines Haftprüfungstermins] vor dem Bundesgericht, Cook sei „verschwunden“ und somit für eine Aussage beim Habeas-Verfahren nicht verfügbar. Die Wahrheit ist, dass Weinglass damals Cooks Aufenthaltsort kannte und dass Cook über die Vorgänge vom 9. Dezember 1981 eine vollständige Zeugenaussage ablegen wollte. Im Mai 1999 hatte Rechtsanwalt Weinglass ein Treffen mit William Cook, das damit endete, dass Cook eine beeidete Erklärung unterschrieb, die Mr. Jamal entlastete und feststellte, dass er [Cook] von der Existenz eines Planes zur Ermordung Officer Faulkners Kenntnis hatte.

6. Rechtsanwalt Weinglass unterließ es auch, während der PCRA-Verhandlungen oder beim bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Verfahren, das im Oktober 1999 begann, die Aussage von Mumia Abu-Jamal vorzulegen. Mr. Jamal war nicht Zeuge der Erschießung von Officer Faulkner und wurde selbst angeschossen und lebensgefährlich verwundet, als er sich dem Tatort näherte. Mr. Jamals Darstellung dessen, was er sah und miterlebte, wie in seiner eidesstattlichen Erklärung, vorgelegt am 4. Mai 2001 bei diesem Verfahren, ausgeführt, stimmt mit zentralen Teilen der Beweise, die von Arnold Beverly, William Singletary und William Cook vorgelegt wurden, überein. Mr. Jamal folgte Hauptverteidiger Weinglass’ Rat, bei der Verhandlung vor dem Staatsgericht von Pennsylvania nicht auszusagen. Rechtsanwalt Weinglass war damit einverstanden, dass Mr. Jamal bei der bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Verhandlung aussagen sollte, legte aber seine Zeugenaussage nicht vor.

7. Das Hintertreiben der Vorlage der Entlastungsaussagen von Beverly, Singletary und Cook sowie auch Jamals eigener Darstellung war Bestandteil der Weigerung der Rechtsanwälte Weinglass und Williams, die Verteidigung dahingehend auszurichten, dass Mr. Jamal unschuldig ist, ein Opfer grandiosen polizeilichen und staatsanwaltlichen Fehlverhaltens, das auch die Fabrikation von Beweisen umfasste. Die Unterdrückung von Beweismaterial für die Unschuld ihres Mandanten durch die Rechtsanwälte Weinglass und Williams stellte eine Illoyalität gegenüber ihrem Mandanten und geradezu eine Preisgabe ihres Mandanten dar. Ihre Illoyalität erreichte einen Höhepunkt, als Daniel Williams, mit Unterstützung von Rechtsanwalt Weinglass, einen falschen, eigenen Interessen dienenden und unautorisierten „Insiderbericht“ von Jamals Fall veröffentlichte, Executing Justice, der auf einen Präventivschlag gegen die Beweise für Mr. Jamals Unschuld hinauslief. Rechtsanwalt Weinglass verhinderte die Veröffentlichung des Buches nicht und er feuerte Williams auch nicht, sondern erklärte öffentlich und unrichtigerweise, er „glaube nicht, dass es dem Fall irgendwie juristisch geschadet hat“. Das Gegenteil ist der Fall. Der Bezirksstaatsanwalt von Philadelphia zitierte ausführlich aus Williams’ Buch, um Jamals Bemühungen, diese Beweise für seine Unschuld vorzulegen, zu vereiteln. Infolge dieses krassen Aktes von Illoyalität entließ Mr. Jamal die Rechtsanwälte Weinglass und Williams, und sein neues Rechtsanwaltsteam legt jetzt die entscheidenden Beweise für Jamals Unschuld vor, die Weinglass und Williams unterdrückten.

Hintergrund

8. Ich begann 1987 für Mr. Jamal zu arbeiten als Rechtsanwältin, die vor allem mit seinen Haftbedingungen befasst war. Die ganzen Jahre über als Rechtsanwältin für Mr. Jamal arbeitete ich pro bono und habe für meine Arbeit niemals Honorar angenommen. Im Jahre 1989 wurde Mr. Jamal in seiner Strafsache von seiner staatlich bestellten Berufungsanwältin Marilyn Gelb vertreten. Nachdem Mr. Jamals unmittelbare Berufung vor dem Obersten Gerichtshof von Pennsylvania im März 1989 abgewiesen worden war, half ich Mr. Jamal bei der Suche nach einem neuen Rechtsbeistand, der ihn bei der Wiederaufnahmeverhandlung vertreten würde. In dem Zeitraum, bevor Mr. Jamal einen Rechtsbeistand hatte, der ihn bei der Vorbereitung seines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens vertreten würde, gelangte ich an Informationen und Beweise, die für Mr. Jamals Verteidigung bedeutsam waren, vor allem die Hintergrundinformation, die Arnold Beverly lieferte, und die entlastende Zeugenaussage William Singletarys. Ich trug Sorge dafür, dass alle Beweise, die in meinen Besitz gelangten, aufbewahrt wurden. Doch meine Hauptaufgabe war, bei der Suche nach einem erfahrenen Rechtsbeistand für Mr. Jamal zu helfen, der diese Beweise vorlegen würde.

9. Mumia Abu-Jamal hat immer seine Unschuld an der Erschießung des Polizeibeamten Daniel Faulkner beteuert. Mr. Jamal bekräftigte seine Unschuld mir gegenüber in eindeutigen und kategorischen Worten. Er ließ keinen Zweifel daran, dass sein Ziel die Aufhebung seiner Verurteilung und damit seine Freilassung und nicht nur die Aufhebung der Todesstrafe war.

10. Experten zur Frage der Todesstrafe, die ich zu Rate zog, darunter Henry Schwartzchild vom Projekt über die Todesstrafe bei der ACLU [American Civil Liberties Union], Prof. Bruce Ledewitz von der Juristischen Fakultät der Universität Duquesne und Rechtsanwälte des rechtlichen Verteidigungsfonds der NAACP [National Association for the Advancement of Colored People], unterstrichen, dass erfolgreiche Strategien bei der Verteidigung gegen die Anklage von Kapitalverbrechen einen von zwei grundlegenden Punkten hervorheben – die Unschuld des Klienten an dem ihm zur Last gelegten Kapitalverbrechen im Kontext eines verfassungsrechtlich mangelhaften Verfahrens oder mildernde Umstände, die zur Umwandlung der Todesstrafe führen könnten.

11. So ging ich auf Grundlage dieser Konsultationen mit Experten zur Todesstrafe und meiner eigenen begrenzten Strafrechtserfahrung die Aufgabe an, für Mr. Jamal einen neuen Hauptverteidiger zu finden mit dem Verständnis, dass dieser Verteidiger die Verteidigung eines Unschuldigen in der Todeszelle übernehmen und dazu mit einer umfassenden Überprüfung des Falles beginnen müsse. Angesichts des politischen Kontexts von Mr. Jamals Fall – die Tatsache seiner frühen Mitgliedschaft in der Black Panther Party und seiner späteren Unterstützung der MOVE-Organisation, was beides seinen Fall durchzog und unmittelbar zu seiner Todesstrafe führte – erforderte die erfolgreiche Anfechtung von Mr. Jamals Verurteilung eine umfassende Untersuchung des Falles, um zu beweisen, dass Mr. Jamal Officer Faulkner nicht erschossen hatte, dass seine strafrechtliche Verfolgung von krassem Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft durchdrungen war, und gleichzeitig mussten die vielen anderen Verletzungen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, die den Prozess und die Straffestsetzung durchzogen, aufgedeckt werden.

12. Ich half Mr. Jamal dabei, Rechtsanwälte zu treffen, die möglicherweise seine Verteidigung übernehmen würden, auch als neue Hauptverteidiger. Schließlich beauftragte Mr. Jamal Mitte 1991 Leonard Weinglass als Hauptverteidiger. Rechtsanwalt Weinglass hatte einen Ruf als erfolgreicher Strafverteidiger mit Erfahrung in Kapitalverbrechens-Prozessen. Zuvor hatte ich Steven Hawkins, damals im Stab des rechtlichen Verteidigungs- und Bildungsfonds der NAACP, auf Mr. Jamals Fall aufmerksam gemacht, und er half anfangs bei Mr. Jamals Anträgen auf erneute Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Ich gewann auch Jonathan Piper, einen Prozessanwalt des Chicagoer Büros der Kanzlei Sonnenschein Nath & Rosenthal, unentgeltlich für den Fall zu arbeiten, die Prozessakten durchzusehen, juristische Dokumente zu entwerfen und rechtliche und sachliche Unterstützung bei Ermittlungen zu leisten. Rechtsanwalt Weinglass brachte Daniel Williams ins Team. Als Hauptverteidiger war Rechtsanwalt Weinglass oberster Schiedsrichter und letzter Entscheidungsträger in allen Mr. Jamals Fall betreffenden Fragen.

13. Ich trat dem Verteidigungsteam von Mr. Jamal als aktives Mitglied erst 1995 vor der Einreichung von Mr. Jamals Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei, obgleich ich zuvor an einigen Treffen des Verteidigungsteams teilgenommen hatte und auf Wunsch Rechtsanwalt Weinglass in bestimmten Fällen assistierte.

Rechtsanwalt Weinglass ging weder Arnold Beverlys entlastender Information nach noch legte er Beverlys Geständnis vor

14. Obwohl Arnold Beverly mir gegenüber erstmals im März 1999 ein Geständnis ablegte, hatte ich diesen Zeugen schon Jahre zuvor getroffen, und er hatte Hintergrundinformationen zu der Erschießung des Polizeibeamten Faulkner geliefert. Im Jahre 1989 sagte mir Beverly, dass die Ermordung des Polizeibeamten Faulkner ein von anderen Polizeibeamten geplanter „Hit“ [Mordanschlag] gewesen sei und dass Mumia Abu-Jamal den Officer nicht erschossen habe. Beverly beharrte hartnäckig darauf, er würde die Person, die den Officer erschossen hatte, nicht identifizieren und ebenso hartnäckig beharrte er darauf, niemals auszusagen und, sollte er als Zeuge vorgeladen werden, jegliches Wissen abzustreiten. Wie weiter unten eingehender erklärt wird, weigerte sich Rechtsanwalt Weinglass, Beverly als möglichem Zeugen nachzugehen und er widersetzte sich meinen Bemühungen, die von Beverly gelieferten Hintergrundinformationen auszuwerten. Erst im Jahre 1999 gestand mir Beverly schließlich, dass er den Polizeibeamten Faulkner erschossen hatte, war mit einer Zeugenaussage einverstanden und unterzeichnete ein schriftliches Geständnis. Doch Rechtsanwalt Weinglass weigerte sich, diesen Beweis für Jamals Unschuld in den Prozess einzubringen.

15. Ich nahm erstmals Mitte 1989 mit Beverly Kontakt auf, nachdem ich gehört hatte, dass er Informationen besaß, die für Mr. Jamals Verteidigung relevant seien. Ich fand und befragte Mr. Beverly im Staatsgefängnis von Pennsylvania in Hunlock Creek, wo er einsaß. Bei diesem Gespräch erzählte mir Arnold Beverly, dass er am Tatort der Erschießung des Polizeibeamten Faulkner zugegen gewesen sei und dass Mumia Abu-Jamal Officer Faulkner nicht erschossen habe. Beverly erklärte des Weiteren, dass es einen Plan von Polizeibeamten Philadelphias gegeben habe, Daniel Faulkner zu töten und dass Officer Faulkner der Polizeikorruption im Zusammenhang mit Drogen, Prostitution usw. in Center City in die Quere gekommen war. Neben weiteren Brocken an Information sagte Beverly, ein schwarzer Beamter, „Boston“ (was ich für den Spitznamen des Polizeibeamten hielt), sei an den Vorkehrungen beteiligt gewesen, und einige Polizeibeamte hätten sich am Tatort aufgehalten, um sicherzustellen, dass der „Hit“ wie geplant ablief. Er sagte mir auch, dass Cynthia White, die Hauptzeugin der Anklage gegen Mr. Jamal, Polizisten „sexuell gefällig“ war. Damals leugnete Beverly, dass eigentlich er Officer Faulkner erschossen hatte, und er weigerte sich den Schützen zu identifizieren. Arnold Beverly betonte nachdrücklich, dass er niemals den Schützen identifizieren würde und gab ebenso deutlich zu erkennen, dass er nichts, was er über die Erschießung des Polizeibeamten Faulkner wusste, aussagen würde, selbst wenn er vorgeladen würde.

16. Kurz nachdem Rechtsanwalt Weinglass beauftragt worden war, setzte ich ihn davon in Kenntnis, was Arnold Beverly mir erzählt hatte. Rechtsanwalt Weinglass sagte mir unverblümt, dass er nicht daran interessiert sei, dieser Information nachzugehen – dies sei ein zu heißes Eisen –, und wollte nicht weiter darüber diskutieren. Rechtsanwalt Weinglass weigerte sich weiterhin im gesamten Verlauf des Wiederaufnahmeverfahrens von 1995, über Beverlys Darstellung zu diskutieren, geschweige denn sie weiter zu untersuchen, obwohl Jonathan Pipers Hintergrundermittlungen bestätigten, dass das Federal Bureau of Investigation [FBI] zum Zeitpunkt der Erschießung des Polizeibeamten Faulkner Ermittlungen durchgeführt hatte gegen weitverbreitete und bis in höhere Ränge reichende Polizeibeteiligung an kriminellen Drogen- und sittenwidrigen Geschäften, einschließlich Prostitution, in Philadelphias Center City. Diese Informationen stützten nicht nur Beverlys Darstellung, sondern erhellten auch, wie die Polizei die Prostituierte Cynthia White, die Hauptzeugin der Anklage, mit Leichtigkeit dazu zwingen konnte, Mr. Jamal unrichtigerweise als den Mann zu identifizieren, der den Polizeibeamten Faulkner erschossen hätte.

17. Der einzige Hinweis auf die von Beverly gelieferte Information, die Rechtsanwalt Weinglass in dem Wiederaufnahmeantrag von 1995 zuließ, war die Erwähnung der einfachen Tatsache dieser Polizeikorruption in Fußnoten des Rechtsmemorandums. Außerdem willigte Rechtsanwalt Weinglass ein, in Mr. Jamals Offenlegungsantrag eine Forderung nach Auskunft darüber aufzunehmen, ob der Polizeibeamte Faulkner ein Informant gewesen oder ob gegen ihn strafrechtlich ermittelt worden sei. Wie weiter unten ausgeführt, wurde Beverlys diesbezügliche Darstellung von dem Augenzeugen William Singletary gestützt, der bezeugte, dass Polizeibeamte, darunter „white shirts“ (d. h. höhere Dienstränge), sofort nach der Schießerei am Tatort anwesend waren. Doch Rechtsanwalt Weinglass lehnte es ab, Singletary aufzurufen, versuchte zu verhindern, dass er aussagte, und als er doch in den Zeugenstand trat, untergrub Rechtsanwalt Weinglass seine Aussage, u. a. auch als Brady-Zeuge [Zeuge für die Zurückhaltung von für den Angeklagten entlastendem Beweismaterial durch die Staatsanwaltschaft im ursprünglichen Prozess, was nach Brady v. Maryland 1963 gegen die Regeln eines fairen Prozesses verstößt], indem er behauptete, Singletarys Erinnerung an das Geschehen sei ungenau.

18. Außerdem bestand Rechtsanwalt Weinglass hartnäckig darauf, dass Inspector Alfonzo Giordano – der bekanntermaßen bereits 1986 aufgrund einer bundespolizeilichen Korruptionsanklage verurteilt worden war – beim PCRA-Verfahren nicht als Zeuge vorgeladen werden sollte. Giordano war der hochrangigste Beamte am Tatort nach der Schießerei, der zentrale Zeuge der Anklage gegen Mr. Jamal bei der Vor- und der Kautionsverhandlung, der behauptete, Jamal habe am Tatort ein Geständnis abgelegt, als er hinten in einem Polizeiwagen lag (ein Geständnis, das kein anderer Officer hörte). Es war auch Giordano, der die Behauptung aufstellte, dass Jamals Schusswaffe, die mutmaßliche Mordwaffe, auf der Straße gelegen habe, und es war Giordano, der die angebliche „Identifizierung“ Jamals am Tatort durch den Taxifahrer Robert Chobert arrangierte. Wir wussten auch, dass Giordano eng mit Frank Rizzo zusammengearbeitet hatte, als dieser Polizeichef von Philadelphia war, und dass er an politischer Polizeiüberwachung und Angriffen gegen Linke und die Black Panther Party beteiligt gewesen war.

19. Am Ende der Berufungsverhandlung im September 1995 bat mich Rechtsanwalt Weinglass, dem PCRA-Gericht eine Erklärung vorzulegen, die die Ermittlungsspuren, denen wir nachgingen, darlegen sollte, einschließlich der Aussage von William Cook und der Notwendigkeit einer Untersuchung der ballistischen Beweise durch ein unabhängiges Labor. Es wurde offensichtlich, dass Rechtsanwalt Weinglass sich nur in Positur warf. Zum Beispiel ist da die Frage von William Cooks Nichterscheinen zur Zeugenaussage, worauf weiter unten ausführlicher eingegangen wird. Rechtsanwalt Weinglass war auch wütend, dass ich in den Schlussplädoyers, die ich vor dem PCRA-Gericht hielt, Inspector Giordanos Rolle bei der falschen Strafverfolgung und Verurteilung von Mr. Jamal ansprach. Des Weiteren verweigerte Rechtsanwalt Weinglass meinen konkreten Vorschlägen die Zustimmung, als ich nach dem Abschluss des PCRA-Verfahrens von 1995 seine Genehmigung und Unterstützung zur Weiterführung unserer Ermittlungen und zur Beauftragung der notwendigen Ermittler zu bekommen versuchte.

20. Trotz seines Vetos gegen die Fortsetzung der Ermittlungen verkündete Rechtsanwalt Weinglass vor einer großen öffentlichen Versammlung Anfang Oktober 1995 in San Francisco, es gebe Gerüchte, dass Officer Faulkner ein FBIÃInformant gewesen und einem Mordkomplott seiner Polizeikollegen zum Opfer gefallen sei. Da Rechtsanwalt Weinglass diese Information öffentlich verbreitete ohne die geringste Absicht, sie durch Ermittlungen weiterzuverfolgen oder sie ernsthaft bei Gericht vorzubringen, hatten wir beide eine heftige Auseinandersetzung. Als Folge davon stimmte Rechtsanwalt Weinglass endlich zu, einige der von mir vorgeschlagenen Ermittlungen durchzuführen und finanzielle Mittel für die Ermittler zur Verfügung zu stellen. Doch Rechtsanwalt Weinglass stimmte immer noch nicht zu, Beverlys Aussage nachzugehen.

21. Trotz Rechtsanwalt Weinglass’ Weigerung, die von Beverly gelieferten Informationen unmittelbar weiterzuverfolgen, hatte ich ein wachsames Auge auf Informationen und Spuren, die mit Beverlys allgemeiner Aussage übereinstimmten, und machte mit den Ermittlungen weiter. Mit der Zeit kamen, soweit Rechtsanwalt Weinglass widerwillig der Durchführung von Ermittlungen zustimmte, mehr und mehr Informationen ans Licht, die Aspekte von Beverlys Darstellung bestätigten, dass die Ermordung des Polizeibeamten Faulkner ein von anderen Polizeibeamten geplanter „Hit“ gewesen war. Als diese erhärtenden Informationen ans Licht kamen, wurde Rechtsanwalt Weinglass davon in Kenntnis gesetzt.

22. Zum Beispiel wurde die Existenz eines Polizeibeamten namens „Boston“ erhärtet nach Durchsicht von Protokollen eines bundesgerichtlichen Prozesses 1979 wegen Polizeibrutalität in Philadelphia. Ende 1996 meldete sich ein Augenzeuge namens Marcus Cannon mit der Information, er habe während der Erschießung des Polizeibeamten Faulkner zwei Weiße am Tatort gesehen, die offenbar Undercover-Polizisten waren.

23. Bedeutsame Erhärtung erfuhren einige Aspekte von Beverlys Hintergrunddarstellung auch im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeverfahren 1997, in dessen Mittelpunkt Pamela Jenkins stand, eine Prostituierte, die bei dem berüchtigten Polizei-Korruptionsskandal um den 39. Bezirk eine Informantin für das FBI gewesen war. Jenkins sagte aus, dass sie 1982 als Prostituierte und Freundin des Polizeibeamten Thomas Ryan erfahren habe, dass ein schwarzer Polizeibeamter namens Boston und andere Polizeibeamte, darunter „Sarge“ und Det. Richard Ryan, bei der Erschießung von Officer Faulkner vor Ort gewesen waren. In Übereinstimmung mit Beverlys Darstellung sagte Jenkins auch aus, dass Cynthia White eine Polizeiinformantin war und Polizeibeamten sexuelle Gefälligkeiten erwies.

24. Lawrence Boston wurde bei dem Wiederaufnahmeverfahren 1997 als Zeuge vorgeladen und bestätigte, dass er Polizeibeamter im 6. Bezirk gewesen war, wo der Polizeibeamte Faulkner gearbeitet hatte, und Faulkner sehr gut kannte. Doch Boston gab auf die Frage, wo er zum Zeitpunkt von Faulkners Erschießung gewesen war, keine klare Antwort, sondern erwiderte sonderbarerweise, er „müsse wohl geschlafen haben“. Obwohl Rechtsanwalt Weinglass wusste, dass Beverly Boston als Beteiligten an dem Plan zur Tötung Officer Faulkners benannt hatte, ließ Rechtsanwalt Weinglass diese günstige Gelegenheit verstreichen und unterließ es, Boston zu einer Antwort auf die Frage nach seinem Aufenthaltsort zu drängen. Was Boston bestätigte war, dass er auf seinen Streifengängen häufig Kontakt mit Prostituierten hatte, darunter Cynthia White, die er als „Lucky“ kannte, und dass er gehört hatte, dass White zur Zeit von Mr. Jamals Prozess weitreichende Vergünstigungen erhalten hatte, einschließlich ihrer Unterbringung in einem Appartementhaus in New Jersey, offensichtlich veranlasst durch die Polizei von Philadelphia.

25. Von Bedeutung ist meine 1998 durchgeführte Befragung von Donald Hersing, der vertraulichen Quelle des FBI bei Ermittlungen 1981/82 gegen Polizeikorruption in Center City. Mr. Hersing bestätigte, dass korrupte Polizisten im Winter 1981/82 sehr besorgt waren wegen möglicher Polizeiinformanten und dass an der Korruption auch James Carlini, Leiter des Morddezernats, John DeBenedetto, Leiter der Central Division, der der Polizeibeamte Faulkner angehörte, und auch Inspector Alfonso Giordano, der ranghöchste Beamte am Tatort nach der Schießerei, beteiligt gewesen waren. DeBenedetto und andere Polizeibeamte der Central Division wurden 1983 verurteilt; James Carlini wurde in der Anklageschrift des Bundes als nichtangeklagter Mitverschwörer bezeichnet. Hersing erklärt, dass er über alle seine Gespräche und seinen Umgang, einschließlich seiner Informationen über Alfonzo Giordano, die FBI-Agenten unterrichtete, denen er regelmäßig und häufig Bericht erstattete. Im Mai 1999 gab mir Donald Hersing eine eidesstattliche Erklärung, die diese Informationen darlegte.

26. Fortgesetzte Ermittlungen gegen Alfonzo Giordano enthüllten, dass er von 1968–1970 für die Stake-Out-Einheit [taktische Eliteeinheit] der Polizei von Philadelphia verantwortlich war, als diese als taktische Kraft gegen die Black Panther Party von Philadelphia eingesetzt wurde. Er hatte auch 1977/78 eine leitende Stellung inne bei der einjährigen Polizeiblockade des Hauses der Organisation MOVE in Powelton Village, die mit einer Polizeirazzia und der Erschießung des Stake-Out-Officers James Ramp endete, wofür neun MOVE-Mitglieder verurteilt wurden. Mumia Abu-Jamal war seit der Zeit des Polizeiangriffs und während des Prozesses gegen die MOVE-Mitglieder als Journalist bekannt, der MOVE wohlgesonnen war, und der damalige Bürgermeister Frank Rizzo, der Leiter der Zivilverteidigungseinheit George Fencl und vermutlich auch Giordano selbst kannten ihn persönlich. Auf jeden Fall kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass Giordano, sobald er am Tatort Jamals Identität erfuhr, sofort gewusst haben muss, wer Jamal war, einschließlich seines politischen Hintergrunds und seiner sehr prominenten Position bei der Verteidigung der MOVE-Organisation.

27. In der Folge wurden Personalakten von Alfonzo Giordano ausfindig gemacht, und sie enthüllten Informationen, die Donald Hersings Bericht stützten, dass Giordanos Beteiligung an Polizeikorruption dem FBI und Mitgliedern der Polizeiführung Philadelphias Anfang 1982 bekannt waren. Die Personalakten zeigen, dass Giordano im Mai 1982 vom Command Inspectors Bureau (CIB) in die Personalabteilung versetzt wurde und am ersten Arbeitstag nach dem Ende von Mumia Abu-Jamals Prozess 1982 den Polizeidienst quittierte. Die Tatsache, dass die Anklage während des Prozesses Giordano nicht in den Zeugenstand rief, um erneut seine falsche Behauptung aufzutischen, Jamal habe am Tatort ein Geständnis abgelegt, und das trotz Richter Sabos Entscheidung, dass diese Aussage zulässig sei, ist ebenfalls ein nachdrücklicher Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft von Giordanos Beteiligung an Korruption wusste und es für zu riskant hielt, ihn bei Mr. Jamals Prozess auftreten zu lassen. Bemerkenswerterweise wurde Giordano erst 1986 wegen der Annahme von Zehntausenden Dollars an Bestechungsgeldern im Zeitraum 1979-80 angeklagt.

28. Meine Bemühungen, die Akten rund um die Sach- und ballistischen Beweise zu durchforsten, einschließlich der Konsultation von Experten, brachten zu Tage, dass das Szenario der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Erschießung physisch unmöglich und nicht einmal durch die eigenen Beweise der Anklage gedeckt war. Das Szenario der Anklage, das beim Wiederaufnahmeverfahren [post-conviction court] und vom Obersten Gerichtshof Pennsylvanias übernommen wurde, besagt, dass Jamal angeblich vom Parkplatz gelaufen kam, Faulkner auf kurze Distanz in den Rücken schoss und dann unmittelbar vor Faulkner stand, der auf den Rücken gefallen war. Jamal habe dann angeblich drei- oder viermal auf Faulkner geschossen, wobei eine Kugel Faulkner unter dem Auge in den Kopf getroffen habe. Der Anklage zufolge sei Jamal von Faulkner angeschossen worden, als der Officer zu Boden fiel. Außer Jamal und Faulkner sei der Anklage zufolge die einzige weitere am Tatort anwesende Person William Cook gewesen, Jamals Bruder. Jedoch, wie unten erläutert wird, widerspricht dieses Szenario den vorhandenen Sach- und ballistischen Beweisen. Zum Beispiel widerlegen die Lage von am Tatort sichergestellten Kugeln und Geschossfragmenten sowie die Tatsache, dass es keine Einschläge auf dem Bürgersteig gab und die Lage von Blutflecken auf dem Bürgersteig das Gesamtszenario der Anklage, einschließlich der Behauptung, auf den Polizeibeamten Faulkner sei mehrere Male geschossen worden, als er auf dem Bürgersteig lag und sein Kopf nach Osten gerichtet war, während der Schütze nach Osten blickte. Eine kupferne Patronenhülse am Tatort passt nicht zu den Geschossen, die sich angeblich in Jamals und Faulkners Schusswaffen befunden haben und ist ein Hinweis darauf, dass noch eine andere Schusswaffe abgefeuert wurde. Des Weiteren sagte der Beamte, der Jamals Schusswaffe gefunden haben soll und der Ballistikabteilung übergab, Stake-Out-Officer James Forbes, vor Gericht aus, dass die Patronen in Jamals Schusswaffe ein anderes Fabrikat hatten als im Ballistikgutachten verzeichnet. Ebenso legt die Kugel im Türrahmen der Locust Street 1234 wie auch die Beschreibung dieser Kugel im Ballistikgutachten nahe, dass eine zweite Polizeiwaffe abgefeuert wurde.

29. Darüber hinaus werfen die im gerichtsmedizinischen Gutachten, das ich kurz vor Einreichung des Antrag auf Wiederaufnahme ausfindig machte, enthaltenen Informationen substanzielle Fragen auf. Zum Beispiel gibt es keine vernünftige Erklärung dafür, weshalb der Gerichtsmediziner verzeichnete, dass Faulkner mit einer Waffe des Kalibers .44 erschossen wurde, während die Polizei behauptete, es sei ein Geschoss des Kalibers .38 gewesen. Zusätzlich fand der Gerichtsmediziner ein recht großes Geschossfragment in Faulkners Kopfwunde, das aber nicht der Ballistikabteilung zur Untersuchung übergeben wurde und verschwunden ist. Darüber hinaus wurden, obgleich es Standardvorgehensweise des Gerichtsmediziners ist, Körper zu durchleuchten, um alle Geschosse oder Geschossfragmente zu lokalisieren, bisher keine Röntgenbilder von Faulkners Körper gefunden oder vorgelegt, was Fragen bezüglich des Kalibers und der Anzahl von Geschossen in Officer Faulkners Körper und Fragen bezüglich einer Unterdrückung von Beweismitteln aufwirft.

30. Es gab auch reichlich Beweise, dass Jamals Schusswaffe in dieser Nacht nicht abgefeuert worden war und dass die Polizei dies wusste. Zunächst einmal wurde angeblich an Jamals Hand keine Untersuchung auf Blei- oder Schmauchspuren vorgenommen oder, falls solch eine Untersuchung vorgenommen wurde, wurden die Ergebnisse unterdrückt. Es gibt auch keinen Polizeibericht darüber, ob Jamals Waffe warm war oder nach verbranntem Pulver roch, also kürzlich abgefeuert worden wäre. Darüber hinaus stellt das polizeiliche Ballistikgutachten fest, die Kugel, die aus Faulkners Kopfwunde entfernt wurde, sei „extrem deformiert und beschädigt ... was die Spuren des Waffenlaufs größtenteils zerstörte“, so dass selbst ihre allgemeinen Merkmale „unbestimmbar“ seien. Das Ballistikgutachten, das nicht unterschrieben war, kam zu dem Schluss, eine Vergleichsuntersuchung des Beweisprojektils mit zu Testzwecken abgefeuerten Projektilen „lieferte nicht genügend Bestimmungsmerkmale, um einen sicheren Vergleich zuzulassen“. Jedoch zeigt ein Foto, das von diesem Projektil gemacht wurde, ein größtenteils intaktes Bleigeschoss mit deutlichen Schleifspuren, die nahe legen, dass eine Vergleichsuntersuchung mit aus Jamals Charter-Arms-Revolver abgefeuerten Originalexemplaren eine Entscheidung darüber erbracht hätte, ob das Projektil aus diesem abgefeuert worden war. Zusätzlich steht das Verhältnis der Erhebungen zu den Vertiefungen auf dem Projektil, das aus Faulkners Kopfwunde entfernt wurde, im Gegensatz zu allen außer ein paar Prozent der produzierten Charter-Arms-Revolver. So lassen die ballistischen Beweise der Staatsanwaltschaft selbst (oder deren Nichtvorhandensein) mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass die Beweiskugel aus Faulkners Kopfwunde nicht aus Jamals Charter-Arms-Revolver abgefeuert worden war und dass die polizeilichen ballistischen Untersuchungen „ohne schlüssiges Ergebnis“ waren, weil eine ordnungsgemäß und sachkundig durchgeführte ballistische Untersuchung Jamals Schusswaffe als Mordwaffe ausgeschlossen hätte.

31. Die Sachbeweise widersprechen ebenfalls der Theorie der Anklage, Mumia Abu-Jamal sei von dem Polizeibeamten Faulkner angeschossen worden, als der Officer zu Boden fiel. Der Schusskanal der Verletzungen, die Jamal davongetragen hatte – durch seine Brust von seiner Lunge abwärts bis zu seiner Leber – konnte ihm nicht zugefügt worden sein durch einen Schuss von unten, wie die Anklage behauptete. Die angebliche Waffe des Polizeibeamten Faulkner, die dazu benutzt worden sein soll, auf Jamal zu schießen, war nicht in einem Zustand, den man von einem begeisterten Jäger und ehrgeizigen Officer, der im Begriff stand, die Prüfung zum Kriminalbeamten abzulegen, erwarten würde. Laut polizeilichem Ballistikgutachten enthielt diese Waffe alte Pulverreste, Schmutz und Flusen in den Kammern und der Hahn hätte sich wegen zu großer Gummigriffschalen nicht wie vorgesehen für Einzelfeuer spannen lassen. Die Waffe wies auch einen verbogenen Hammersporn auf. All diese Unregelmäßigkeiten warfen die Frage auf, ob das wirklich die Waffe war, die Officer Faulkner am 9. Dezember als Dienstrevolver trug.

32. So hatte sich bis Anfang 1999 eine substanzielle Menge an Beweismaterial angesammelt, das nicht nur Mumia Abu-Jamals Unschuld weiter erhärtete, sondern auch mit Beverlys allgemeiner Hintergrunddarstellung übereinstimmte – und auf keine andere Weise erklärt werden konnte. Trotz des seit langem bestehenden Widerstandes von Rechtsanwalt Weinglass fand ich eine Adresse von Arnold Beverly heraus und traf mich im März 1999 mit ihm. Beverly bekräftigte seine frühere Darstellung, dass Mr. Jamal Faulkner nicht erschossen habe. Doch erstmals erklärte Beverly, dass auch er angeschossen und verwundet worden war und dass er am Tatort geblutet hatte. Er erzählte mir auch, dass er in dieser Nacht eine grüne Armeejacke trug.

33. Bei einer zweiten Unterhaltung, die ich ein paar Tage später im März 1999 durchführte, gestand Arnold Beverly, dass er selbst den Polizeibeamten Faulkner erschossen habe. Er erzählte mir, dass jemand anders den ersten Schuss abgegeben habe, der den Polizeibeamten Faulkner traf, und dann rannte Beverly über die Straße und schoss dem Officer ins Gesicht. Er erklärte, dass Jamal später aufgetaucht sei und auf niemanden geschossen habe. Laut Beverly wurde Mr. Jamal von einem anderen Polizeibeamten, nicht von Faulkner, angeschossen.

34. Innerhalb weniger Stunden, nachdem ich Beverlys Geständnis gehört hatte, setzte ich Rechtsanwalt Weinglass davon in Kenntnis, dass Arnold Beverly gestanden hatte, auf den Polizeibeamten Faulkner geschossen und ihn getötet zu haben. Rechtsanwalt Weinglass’ Antwort mir gegenüber war, diesen Beweis kurzerhand zu verwerfen, und er gab dafür die Rechtfertigung, dass man bei Vorlage dieses Geständnisses bei einem Bundesrichter riskieren würde, „Glaubwürdigkeit zu verlieren“. Die Auseinandersetzungen erreichten eine neue Stufe, als Jonathan Piper und ich Rechtsanwalt Weinglass davon zu überzeugen versuchten, diesen entscheidenden neuen Beweis für Mumia Abu-Jamals Unschuld vor Gericht vorzulegen.

35. Nachdem er von Beverlys Geständnis gehört hatte, bestand Rechtsanwalt Weinglass darauf, Beverly sofort einem Lügendetektortest zu unterziehen, doch er wählte einen Prüfer, Earl Rawlings, der nicht qualifiziert war und eine unsachgemäße Untersuchung durchführte. Doch selbst dieser Prüfer kam zu dem Schluss, dass Beverly die Wahrheit sprach, als er sagte, dass er am Tatort der Erschießung zugegen gewesen und dass Mr. Jamal nicht der Schütze gewesen sei. Ich ließ Beverly von dem Lügendetektorfachmann Charles Honts testen, den Rechtsanwalt Weinglass während des Wiederaufnahmeverfahrens von 1995 eingeflogen hatte. Honts berichtete mir, dass ihm Beverly während der Lügendetektoruntersuchung gestanden habe und dass die Ergebnisse des Lügendetektortests den Wahrheitsgehalt von Arnold Beverlys Geständnis, dass er – und nicht Mumia Abu-Jamal – den Polizeibeamten Faulkner erschossen habe, untermauerten. Ich bekam von Dr. Honts eine eidesstattliche Erklärung.

36. Wie weiter unten eingehender ausgeführt, intensivierten im Frühjahr 1999 Jonathan Piper und ich die laufenden Untersuchungen mit Hilfe der Ermittler sowie durch Hinzuziehung ehemaliger FBI-Agenten, um uns bei der Untersuchung und Auswertung der Beweise zu unterstützen. Bestandteil unserer Arbeit war, die Akten von Prozess und Berufungsverhandlung nach Anomalien zu durchsuchen, die in Übereinstimmung mit Beverlys Darstellung standen. Das erbrachte weitere wesentliche Erhärtung von Beverlys Geständnis, und all diese Informationen wurden regelmäßig Rechtsanwalt Weinglass zur Kenntnis gebracht.

37. Zum Beispiel war Beverlys Erklärung, er habe in dieser Nacht eine grüne Armeetarnjacke getragen, von äußerster Wichtigkeit, weil die Akten ganz klar bewiesen, dass mindestens vier Zeugen – Stake-Out-Officer Forbes, der Berichten zufolge der erste Officer am Tatort war, Officer Stephen Trombetta, der zivile Zeuge der Anklage Michael Scanlan sowie William Singletary – eine Person am Tatort in einer grünen Armeejacke beschrieben. Des Weiteren sagte der Prozesszeuge Magilton einem unserer Ermittler, dass die Person, die er vom Parkplatz rennen sah, eine grüne Armeejacke getragen habe. Jedoch sind die Beweise eindeutig, dass weder Mr. Jamal noch Mr. Cook eine grüne Armeejacke trugen: Jamal hatte eine rote Skisteppjacke an mit je einem breiten blauen Längsstreifen beidseits der Vorderseite, Cook trug eine blaue Jacke im Nehru-Stil mit Messingknöpfen. Die Beschreibung einer Person am Tatort, die eine grüne Armeejacke trug und gemeinhin als der Schütze identifiziert wird, kommt von so vielen verschiedenen Personen, dass es keinen Zweifel geben kann, dass sich zumindest eine Person am Tatort befand, die eine grüne Armeejacke trug. Beverlys Beschreibung seiner Kleidung – eine grüne Jacke – wurde somit durch bereits in den Akten enthaltene Informationen mehrerer unabhängiger Quellen erhärtet.

38. Beverlys Aussage, dass Jamal von einem anderen Polizeibeamten, nicht von Officer Faulkner, angeschossen worden sei, wurde durch ein gerichtsmedizinisches Gutachten vom 9. Dezember 1981, 9 Uhr früh (etwa fünf Stunden nach der Schießerei) gestützt, das feststellt, Sgt. Westermann von der Mordkommission habe einem gerichtsmedizinischen Ermittler gesagt, dass Jamal von „eintreffenden Polizeiverstärkungen“ angeschossen wurde. Tatsächlich ist dieser Bericht im gerichtsmedizinischen Protokoll die einzige Erklärung, die in sämtlichen polizeilichen Unterlagen überhaupt dafür gegeben wird, wie Jamal angeschossen wurde, und gibt somit vermutlich wider, was Polizeibeamte damals wirklich über den Tathergang sagten. Die Umstände dieses Berichts waren Gegenstand einer während des Prozesses von 1982 unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführten Anhörung, von der Jamal ausgeschlossen war.

39. Wir fanden Bekräftigung für Beverlys Behauptung, Faulkner sei auf sein Knie gefallen, im Autopsiebericht, der feststellte, dass die Haut an Faulkners Knie abgeschürft gewesen sei; darüber hinaus war seine Hose am Knie zerrissen. Beverly sagte, er habe eine Pistole vom Kaliber .22 mit sich geführt, und William Singletary hatte ausgesagt, dass bei der Erschießung Faulkners eine kleinkalibrige Schusswaffe, eine .22 oder .25, benutzt worden sei. Widersprüchlichkeiten in den Erklärungen und der Zeugenaussage von Polizeibeamtin Carolyn Chinn zeigten, dass ihr Eindruck gewesen war, dass ein verdächtiger Schwarzer vom Tatort weggebracht worden war, bevor sie ankam und daran beteiligt war, Jamal Handschellen anzulegen. Dies stimmte mit Beverlys Behauptung überein, er habe den Tatort mit Unterstützung von Polizeibeamten verlassen.

40. Des weiteren untersuchten wir die Möglichkeit, ob Faulkner ein FBI-Informant gewesen war oder ob seine Erschießung irgendwie mit den bundespolizeilichen Ermittlungen gegen Polizeikorruption in Philadelphia zusammenhing. Officer Faulkners Streifenbezirk 612 umfasste einen Bereich von Center City, in dem Prostitution weit verbreitet war und wo es nach der Sperrstunde geöffnete Klubs und Schwulenbars gab, denen Polizisten der Central Division Bestechungsgelder abpressten. Zusätzlich zu der Information von Donald Hersing, dass korrupte Polizisten von den bundespolizeilichen Ermittlungen sehr wohl wussten und sich wegen Informanten Sorgen machten, führte Jonathan Piper ein Gespräch mit dem leitenden Bundesstaatsanwalt, der gegen DeBenedetto wegen Korruption Anklage erhoben hatte, und der bestätigte, dass Polizeibeamte aus Philadelphia eine Quelle bei den Ermittlungen waren, darunter einer mit einem Bruder, der ebenfalls Polizeibeamter war. Das war eine Beschreibung, die auf Officer Faulkner passte, aber der ehemalige Staatsanwalt sagte, er könne nicht sagen, ob Faulkner ein Informant war oder nicht.

41. Damals erfuhren wir auch, dass George Sherwood, ein FBI-Agent, der die Abteilung des FBI für organisiertes Verbrechen in Philadelphia beaufsichtigte und an den Ermittlungen, bei denen Hersing Informant war, beteiligt war, 1982 Faulkners Armeeakte angefordert hatte. Ehemalige FBI-Agenten, die damals als Ermittler an dem Fall arbeiteten, sagten mir, die plausibelste Erklärung dafür sei, dass Faulkner entweder Informant oder vertrauliche Quelle war oder dass gegen ihn selbst ermittelt wurde. Sherwood sagte unserem Ermittler, dass das FBI keiner anderen Behörde (einschließlich des Bezirksstaatsanwaltes und des Generalstaatsanwaltes) dabei geholfen hätte, Officer Faulkners Militärakte beizubringen, wenn es nicht ein eigenes Ermittlungsinteresse hätte. Die vertrauliche Quelle des FBI Donald Hersing berichtete, dass George Sherwood einer der an den Ermittlungen 1981/82 gegen Polizeikorruption in Center City beteiligten FBI-Agenten war. FBI-Akten über Daniel Faulkner enthielten ein FBI-PH-Telegramm vom 30.12.81 an den Direktor, dass wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen und des schwebenden Verfahrens keine schriftliche Zusammenfassung des Falles verfasst würde, was, wie mir ehemalige FBI-Agenten sagten, äußerst ungewöhnlich sei. Die Akten des Falles enthüllten auch, dass der Polizeibeamte Faulkner eine „Topcon“-Kamera besaß und sie in der Nacht, als er umgebracht wurde, dazu benutzt hatte, zumindest Officer Gary Wakshul im „Sperrbezirk“ des Reviers zu fotografieren. Detective William Thomas von der Mordkommission hatte diese Kamera in seinem Besitz, als er Wakshul und andere über die Kamera befragte. Ich erfuhr später, dass dies ein sehr teures Kameramodell war, das damals oft vom FBI benutzt wurde. Unerklärlicherweise gibt es keine Informationen darüber, wo diese Kamera gefunden wurde, da es keine Eigentumsbelege oder Unterlagen über die Kamera oder über irgendeinen in der Kamera enthaltenen Film gibt.

42. Unsere Ermittlungen deckten auch auf, dass es durchaus bekannt war, dass Polizeibeamte oder Zeugen gegen die Polizei in Philadelphia in den 1980er-Jahren Opfer von „Hits“ wurden. Bertram Schlein, ein Zeuge, der gegen den Chef der Central Division, John DeBenedetto, ausgesagt hatte, wurde 1983 ermordet. Ein ehemaliger Polizeibeamter, laut Berichten ein Mitarbeiter von Giordano, Kenneth Schwartz, war Berichten zufolge ein Verdächtiger für Schleins Ermordung. Während der Strafverfolgung gegen „Five-Squad“-Drogenbeamte wegen Korruption in der Zeit von 1980–84 behauptete ein Bundesstaatsanwalt, Polizeibeamte aus Philadelphia hätten in einem bundesgerichtlichen Steuerhinterziehungsfall gegen einen Officer ein Komplott geschmiedet, um einen Zeugen umzubringen. In eben diesem Strafverfolgungsfall sagte ein Zeuge aus, dass er um sein Leben fürchte, nachdem er erfahren hatte, dass ein „Five-Squad“-Officer, der mit dem FBI zusammenarbeitete, in seiner Wohnung ermordet worden war. Andere Polizeibeamte wurden in den frühen 1980er-Jahren umgebracht unter Begleitumständen, die ein Attentat nahelegten. Der letzte Polizeibeamte Philadelphias, der vor dem Polizeibeamten Faulkner getötet wurde, war James Mason, der im Mai 1981 von einem Heckenschützen erschossen wurde. Der nächste nach Daniel Faulkner ermordete Officer war Thomas Trench, der im Mai 1985 aus nächster Nähe erschossen wurde, als er bei heruntergelassener Seitenscheibe in seinem Polizeiwagen saß, vermutlich von jemanden, den er kannte. Kürzlich sagte der ehemalige Polizeibeamte Ronald Previte, der dann zum Auftragskiller für die Mafia wurde, als Regierungsinformant in einem Fall von Unterweltmorden aus. Previte prahlte, er habe in den zehn Jahren, die er bei der Polizei von Philadelphia war, „mehr darüber gelernt, ein Gauner zu sein“, als in irgendeiner anderen Zeit seines Lebens.

43. Jonathan Piper untersuchte detailliert die Polizeifunkaufzeichnungen, die zeigten, dass die Polizei am Tatort reichlich Gelegenheit dazu hatte, sich an Sach- und ballistischen Beweisen zu schaffen zu machen oder sie unterzuschieben. Die Polizeitonbänder widersprachen auch der Behauptung der Anklage, die sich die Gerichte von Philadelphia zu eigen gemacht hatten, dass Polizeiverstärkungen Jamal, Faulkner und ihre Schusswaffen innerhalb weniger als einer Minute nach der Schießerei auf dem Bürgersteig vorgefunden hätten. Es vergingen ganze vierzehn Minuten, bevor Polizisten am Tatort meldeten, sie hätten einen Verdächtigen mit einer Waffe gefunden. Die gleichzeitigen Kurzmeldungen des Polizeifunks berichteten übereinstimmend, dass der/die Verdächtige/n mit Officer Faulkners Schusswaffe vom Tatort geflohen sei/en. Der Stake-Out-Officer Forbes behauptete, er habe unmittelbar nach seiner Ankunft am Tatort zwei Schusswaffen vom Bürgersteig aufgelesen, doch kein anderer Zeuge – weder Polizist noch Zivilist – hat ihn dabei gesehen. Selbst Forbes’ Partner Shoemaker berichtete, er habe nicht gesehen, dass Forbes irgendwelche Schusswaffen aufgehoben hätte (und Shoemaker behauptete, nur eine Schusswaffe auf dem Bürgersteig gesehen zu haben). Der Zeuge Arnold Magilton erklärte in einem polizeilichen Vernehmungsprotokoll, dass die Polizei am Tatort nach einer Waffe gesucht habe. Ein weiterer Augenzeuge, Dessie Hightower, berichtete, dass sich Officer Faulkners Waffe in seinem Halfter befunden habe, als ihn die Polizei vom Tatort wegbrachte. Darüber hinaus gab Forbes entgegen polizeilicher Vorgehensweise die Schusswaffen nicht bei den Officers der mobilen Einsatzgruppe der Kriminalpolizei am Tatort ab, sondern nahm sie stattdessen offenbar mit ins Polizeipräsidium und übergab sie erst etwa zwei Stunden später dem Polizeilabor.

44. Die Darstellungen von Forbes und Shoemaker über ihre Ankunft am Tatort waren auch in anderer Hinsicht dubios. Obgleich Forbes behauptete, einer der ersten beiden Officers am Tatort gewesen und maßgeblich an der Verhaftung William Cooks und der Sicherstellung der Schusswaffen beteiligt gewesen zu sein, berichteten mehrere ankommende Polizeibeamte, sie hätten Forbes überhaupt nicht am Tatort gesehen, als sie ankamen. Shoemakers eigenes Verhalten am Tatort wirft ebenfalls Fragen auf. Während Shoemaker behauptete, er habe Officer Faulkner geholfen, bestritt der Polizeibeamte John Hefter nachdrücklich, dass Shoemaker Faulkner geholfen habe und gab stattdessen an, Shoemaker habe einfach neben dem am Boden liegenden Officer „gestanden“. Außerdem waren Forbes und Shoemaker Stake-Out-Polizisten, Angehörige der taktischen Elitepolizeieinheit, und kannten als solche vermutlich Jamal und waren dem Journalisten feindlich gesinnt, der für seine wohlwollende Berichterstattung über MOVE bekannt war, insbesondere im Gefolge des Prozesses gegen MOVE-Mitglieder wegen Mordes an dem Stake-Out-Polizeikollegen James Ramp, der 1978 während der Polizeibelagerung des MOVE-Hauses in Powelton Village im Polizeikreuzfeuer erschossen worden war.

45. Des Weiteren fuhr der für die „Absicherung“ des Tatortes verantwortliche Polizeibeamte, Gerald Lynch, den Streifenwagen 93, der in die Polizeikorruptionsgaunereien verwickelt war. In einem bundesstaatlichen Polizeikorruptionsprozess von 1985 sagte ein Polizeibeamter der Central City aus, dass 1981 der Streifenwagen 93 für das Einsammeln von Bestechungsgeldern bei einer Bar in Center City zuständig war. Jüngst erhielt Mr. Jamals neues Verteidigerteam eine eidesstattliche Erklärung von Linn Washington, die darauf hinweist, dass in Wirklichkeit der Tatort überhaupt nicht abgesichert war, als er ihn nur wenige Stunden nach der Schießerei aufsuchte. Die Strafverfahren wegen Korruption enthüllten auch, dass in Bestechung verwickelte uniformierte Beamte routinemäßig bei Bars und Nachtklubs in Center City „Clubüberprüfungen“ vornahmen, um die Anzahl der anwesenden Kunden festzustellen und so den Betrag an Bestechungsgeld zu bestimmen, der von dem jeweiligen Club verlangt werden sollte. Mehrere der Beamten, die am 9. Dezember am Tatort waren, sagten aus, dass sie in jener Nacht mit diesen Clubüberprüfungen beschäftigt waren.

46. Die neue Information, dass Beverly am Tatort Blut verloren hatte, eröffnete so neue Möglichkeiten einer DNA-Untersuchung der Sachbeweise, und wenn sich das bestätigen sollte, wäre endgültig die Unrichtigkeit des Szenarios der Anklage bewiesen. Zum Beispiel sollte die Kugel, die aus dem Eingang von Locust Street 1234 entfernt wurde, einer Blut- und DNA-Untersuchung unterzogen werden, denn von der Flugbahn her könnte dies gut die Kugel sein, die Arnold Beverly verwundete. Ein Rätsel in dem Fall war laut kriminalistischem Gutachten das Vorhandensein von Blut der Blutgruppe 0 am Tatort. Dies wies auf die Anwesenheit einer weiteren Person am Tatort hin, denn Mr. Jamal und Mr. Cook hatten ebenso wie der Polizeibeamte Faulkner (laut Faulkners Autopsiebericht und Kriminalgutachten) alle Blutgruppe A.

47. Zusammenfassend: Überall in den Akten des Falles gab es substanzielle Informationen, die Beverlys Geständnis erhärteten, von den Aussagen anderer Zeugen bis hin zu den Sachbeweisen. Gleichzeitig gab es in diesem Fall keine glaubwürdigen Beweise, die seine Darstellung der Geschehnisse entkräfteten oder widerlegten. Doch trotz der beeideten Aussagen und zusätzlicher anderer Informationen, die wir erarbeitet hatten und die Beverlys Darstellung untermauerten, was dem Rechtsanwalt Weinglass und auch dem Mitanwalt Daniel Williams alles eingehend dargelegt wurde, weigerten diese sich, einen ergänzenden Antrag auf Wiederaufnahme einschließlich Beverlys Geständnis vorzulegen, geschweige denn erneute Anträge auf Akteneinsicht sowie auf ballistische und DNA-Tests der Sachbeweise. Je mehr Informationen ausgewertet wurden, die mit Arnold Beverlys Aussage übereinstimmten, desto hartnäckiger stemmte sich Rechtsanwalt Weinglass dagegen, auf Grundlage dieses Zeugen einen ergänzenden Antrag auf Wiederaufnahme einzureichen.

48. Als Einwand gegen eine Einreichung von Beverlys Geständnis bestand Rechtsanwalt Weinglass darauf, dass Beverlys Darstellung unglaubwürdig und unplausibel sei. Rechtsanwalt Weinglass blieb hartnäckig und ließ sich auf keine vernünftige Diskussion darüber ein, wie Beverlys Darstellung mit unterstützenden Beweisen in Einklang stand. Mitanwalt Williams argumentierte, dass dann, wenn man Beverlys Darstellung akzeptieren würde, dies bedeutete, die Polizei habe absichtlich ein Komplott gegen einen Unschuldigen geschmiedet, und Williams behauptete, es sei „unglaubwürdig“, dass die Polizei oder die Staatsanwaltschaft dies tun würde. Diese Erklärungen gingen völlig an der Realität vorbei, wie Aussagen von Polizeibeamten und Staatsanwälten in solch berüchtigten Fällen wie den hunderten Fällen aus dem 39. Bezirk Philadelphias sowie der Verurteilung von Rolando Cruz in Illinois wegen Mordes bestätigen. Im Laufe der Ermittlungen zu Mumia Abu-Jamals Fall hatte ich selbst eine längere Unterhaltung mit dem ehemaligen Polizeibeamten John Baird, der inhaftiert war wegen massiver Fälschung von Fällen im 39. Bezirk. Dank John Baird teilte ich mit meinem damaligen Anwaltskollegen das Wissen um viele anschauliche Beispiele der Fabrizierung von Beweisen und der Fälschung von Polizeiberichten, Durchsuchungsbefehlen und Gerichtsaussagen, die zur Verurteilung unschuldiger Menschen führten. Darüber hinaus passte Mr. Jamals strafrechtliche Verfolgung in das Muster zahlreicher Beispiele von wissentlicher Verfolgung Unschuldiger durch die Regierung. Unter dem Vorwand, den Gesetzen Geltung zu verschaffen, war das COINTELPRO-Programm des FBI gegen die Black Panther Party ein Liquidierungsprogramm, das zum Tod oder zur Verfolgung zahlreicher schwarzer radikaler Führer wegen ihrer politischen Ansichten und Aktivitäten führte. Dokumente, die unter dem Freedom of Information Act zugänglich gemacht wurden, beweisen, dass Jamal, seit er 15 Jahre alt war, im Fadenkreuz von COINTELPRO war, und zwar nur wegen seiner vom First Amendment [Erster Verfassungszusatz] geschützten Aktivitäten als Sprecher und Artikelschreiber der Black Panther Party. Die Feindseligkeit der Polizei und des Bürgermeisters von Philadelphia gegenüber MOVE gipfelte in einer massiven militärischen Polizeiaktion, bei der wehrlose Männer, Frauen und Kinder getötet wurden. Das kalifornische Gerichtssystem ließ schließlich den ehemaligen Black Panther Geronimo Pratt 1997 frei, nach 27 Jahren ungerechtfertigter Inhaftierung für ein Verbrechen, von dem FBI-Abhöraufzeichnungen bewiesen, dass er es nicht begangen hatte. Die Liste könnte fortgeführt werden.

49. Rechtsanwalt Weinglass täuschte Mumia Abu-Jamal, indem er seinen Mandanten in der Todeszelle hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung von Beverlys Geständnis manipulierte, beschwatzte und irreführte. Rechtsanwalt Weinglass unterließ es nicht nur, an der Auswertung von Beverlys Aussage mitzuwirken, sondern behinderte sogar Jonathan Pipers und meine Bemühungen. Ein nicht autorisiertes Buch von Daniel Williams, ehemaliger Anwalt von Mumia Abu-Jamal, bestätigt, dass Rechtsanwalt Weinglass diesen Zeugen absichtlich diskreditierte, um Mr. Jamal davon abzuhalten, dessen Aussage vorzulegen: „Len war besorgt darüber, Mumia könnte darauf bestehen, diese Beweise vorzulegen, und so suchte er nach Wegen, diesen Zeugen auf den Müll zu befördern, ohne das Verteidigungsteam weiter zu spalten“ (Executing Justice: An Inside Account of the Case of Mumia Abu-Jamal, S. 329). Rechtsanwalt Weinglass drohte damit, eher die rechtliche Vertretung von Mr. Jamal völlig niederzulegen, als zuzulassen, dass die von Arnold Beverly gelieferten Beweise vor Gericht vorgebracht werden.

50. Während Rechtsanwalt Weinglass sich weigerte, die Zeugenaussage von Arnold Beverly in einem ergänzenden Wiederaufnahmeantrag oder in der bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Petition vorzulegen, ließen er und Rechtsanwalt Daniel Williams Teile von Beverlys Aussage an die Öffentlichkeit „durchsickern“. Alle Diskussionen über das Beverly-Geständnis, an denen Jonathan Piper und ich teilnahmen, beschränkten sich auf den Rahmen des Verteidigungsteams und beratender Rechtsanwälte oder juristischer Mitarbeiter und Ermittler, die unmittelbar unter meiner Aufsicht arbeiteten. Im Frühjahr 1999 schlug Daniel Williams vor, Arnold Beverlys Zeugenaussage nicht im Rahmen eines zweiten Wiederaufnahmeantrags vorzulegen, sondern seine Darstellung an die Presse „durchsickern“ zu lassen. Kurz danach schrieb ein der Verteidigung Jamals feindlich gesinnter Journalist im Magazin Vanity Fair (August 1999): Das Verteidigerteam „schlägt weiterhin neue Möglichkeiten vor, wie Faulkner getötet worden sein könnte, so brachte Weinglass kürzlich auf, dass der Officer möglicherweise einem Mordkomplott von Angehörigen seiner eigenen Abteilung zum Opfer gefallen sei, weil diese ihn verdächtigten, in einer Untersuchung über Polizeikorruption FBI-Informant zu sein. Er legt keine konkreten Beweise für diese Theorie vor – bloß eine weitere Umdrehung im Karussell der Verschwörungstheorien.“ Rechtsanwalt Williams’ beeidete Aussage in einer eidesstattlichen Erklärung vom 10. April 2001, aktenkundig unter Mumia Abu-Jamal vs. St. Martin’s Press and Attorney Daniel R. Williams: „Nirgendwo in Executing Justice werden Dinge erörtert, die vertraulich sind... Selbst die Meinungsverschiedenheiten unter den Rechtsanwälten waren vielen Unterstützern Mumias, einschließlich linker Journalisten, bekannt“, ist Williams’ Eingeständnis, dass er und/oder Rechtsanwalt Weinglass vertrauliche Angelegenheiten zwischen Anwalt und Mandant aus dem Verteidigungsteam hinaustrugen. Diese sensiblen Informationen öffentlich zu machen, ohne ernsthafte Ermittlungen darüber anzustellen, konnte nur diese schlagkräftigen entlastenden Beweise in Misskredit bringen und ihre letztendliche Überprüfung vor Gericht ungünstig beeinflussen. Diese undichten Stellen versorgten auch die Staatsanwaltschaft und die Polizei mit Insiderinformationen aus dem Verteidigerlager, setzten so die Sicherheit potenzieller Zeugen aufs Spiel und riskierten die Vernichtung von Beweismitteln, die für die durchgesickerten Behauptungen von Wichtigkeit sind.

51. Doch der Hauptschaden, den Rechtsanwalt Williams’ Buch verursachte, besteht darin, öffentlich die Beweise für Mr. Jamals Unschuld in Misskredit zu bringen, falsch darzustellen und zu sabotieren, in eklatanter Missachtung der Wahrheit, der vorhandenen Dokumente und von Mr. Jamals Interessen. Williams diskreditiert öffentlich Beverlys Aussage als „absurd“ und behauptet dann unrichtigerweise, dass ein Vorbringen von Beverlys Darstellung der „Propagierung einer Lüge“ gleichkäme. Doch Rechtsanwalt Williams selbst hat zusammen mit Rechtsanwalt Weinglass eine Unwahrheit propagiert, zuerst durch Unterdrückung von Beverlys Aussage und anderer Beweise für Jamals Unschuld, dann durch falsche Darstellung des Kerns von Beverlys Zeugenaussage und deren Erhärtung durch die Aktenlage sowie durch die falsche Behauptung, William Cook sei „verschwunden“. Das Buch von Rechtsanwalt Williams hat seine beabsichtigten Früchte getragen, als es zum „Beweisstück Nr. 1“ der Staatsanwaltschaft wurde bei ihren Bemühungen, Jamals Unschuldsbehauptung zurückzuschlagen.

Rechtsanwalt Weinglass unterließ es, die eidesstattliche Erklärung von William Cook vorzulegen

52. Im Mai 1999 erhielt ich William Cooks beeidete Erklärung, dass Mumia Abu-Jamal Officer Faulkner nicht erschossen hat, und dass Kenneth Freeman, Cooks Geschäftspartner, in dieser Nacht mit ihm zusammen in dem Fahrzeug saß, bewaffnet war und an einem Plan zur Ermordung Faulkners beteiligt war. Als Rechtsanwalt Weinglass sich 1999 weigerte, Arnold Beverlys Geständnis vor Gericht zu bringen, weigerte er sich gleichermaßen, die beeidete Erklärung von William Cook vorzulegen, die Mumia Abu-Jamal entlastete und die bestätigte, dass es einen Plan zur Ermordung des Polizeibeamten Faulkner gegeben hatte.

53. Es liegt auf der Hand, dass es entscheidend war, die Zeugenaussage von Mumia Abu-Jamals Bruder William Cook darüber, was er in der Nacht vom 9. Dezember 1981 erlebte, zu bekommen. Laut Staatsanwaltschaft war Cook neben Jamal und Faulkner die einzige andere am Tatort anwesende Person. Obwohl es 1995 Rechtsanwalt Weinglass’ erklärte Meinung gewesen war, dass William Cook ein wichtiger Zeuge bei der PCRA-Verhandlung 1995 sein würde, weiß ich nicht, welche Bemühungen Rechtsanwalt Weinglass unternommen hat und ob er überhaupt Bemühungen unternommen hat William Cook zu finden, um ihn für eine Zeugenaussage in dieser Verhandlung verfügbar zu haben.

54. Cooks Bedeutung wurde 1995 durch die PCRA-Aussage von Arnold Howard unterstrichen. In einer dem Gericht vorgelegten eidesstattlichen Erklärung gab Howard zu Protokoll, Freeman habe ihm erzählt, er sei in William Cooks Wagen mitgefahren und in der Nacht der Schießerei am Tatort gewesen. Außerdem sagte Howard aus, er habe Freeman seinen Antrag auf Ausstellung eines Führerscheins gegeben, und der Zeuge der Anklage Det. Edward D’Amato enthüllte erstmals, dass Howards Führerschein bei Faulkner nach dessen Ermordung gefunden worden war. Laut Howard wurden er und Freeman in dieser Nacht aufs Polizeirevier gebracht, und beider Hände wurden auf Schmauchspuren untersucht. Freeman wurde laut Berichten bei einer Gegenüberstellung von einer Frau identifiziert. Wir erfuhren auch, dass Freeman im Februar 1982 von dem Stake-Out-Officer Forbes und Detective Richard Ryan zu Hause verhaftet worden war, wobei diese eine Handfeuerwaffe des Kalibers .22 und Sprengstoff sicherstellten. Im Mai 1985, in der Nacht nach der Bombardierung des MOVE-Hauses in der Osage Avenue durch die Polizei, starb der 32-jährige Kenneth Freeman unter verdächtigen Umständen an einem Herzanfall.

55. Im September 1995, nach Beendigung der PCRA-Beweisaufnahmeverhandlung, aber vor den Schlussplädoyers, befragte ich Mr. Jamals Bruder William Cook, als er unerwartet in Pittsburgh bei einer bundesgerichtlichen Verhandlung von Mr. Jamals Zivilklage gegen die Gefängnisbehörde auftauchte. Zwar erklärte Mr. Cook, er fürchte sich vor den Folgen, gab aber zu verstehen, dass er bereit sei zu einer Zeugenaussage, und wollte sich mit Rechtsanwalt Weinglass und mir erneut treffen. Bei dem Versuch, das Wiederaufnahmeverfahren wieder zu eröffnen, damit Mr. Cook aussagen konnte, legte ich auf Rechtsanwalt Weinglass’ Wunsch hin eine Erklärung darüber vor, was Mr. Cook meiner Meinung nach als Zeuge aussagen würde – dass Mr. Jamal den Polizeibeamten Faulkner nicht erschossen habe, dass sich ein weiterer Schwarzer zusammen mit ihm in seinem Wagen befunden habe und dass eine andere Person, nicht Mr. Jamal und nicht Mr. Cook, den Officer erschossen habe. Es herrschte Einvernehmen bei der Verteidigung, dass Mr. Cook vor dem Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens als Zeuge präsentiert werden sollte. Doch Rechtsanwalt Weinglass schloss mich von der Teilnahme an seinem darauf folgenden Treffen mit William Cook aus. Letzten Endes erschien William Cook nicht als Zeuge vor Gericht. Rechtsanwalt Weinglass unterrichtete mich davon und legte dem Gericht dar, dass Mr. Cook nicht verfügbar sei, weil er befürchte, wegen noch ausstehender richterlicher Haftbefehle bei seinem Erscheinen als Zeuge verhaftet zu werden. Dies widersprach meinem eigenen Eindruck von Cook und seiner Bereitschaft, als Zeuge aufzutreten. Aufgrund meiner vorhergehenden Unterhaltung mit William Cook, von Erklärungen von Cooks Anwalt Daniel Alva und Rechtsanwalt Weinglass’ Verhalten war es mein Eindruck, dass Rechtsanwalt Weinglass William Cook nicht als Zeuge vorladen wollte.

56. Im Februar 1999 gelang es der Verteidigung, erneut Kontakt mit Mr. Jamals Bruder William Cook aufzunehmen, und Rechtsanwalt Weinglass und ich trafen uns mit ihm, um zu erörtern, ob wir von ihm eine eidesstattliche Erklärung erhalten könnten und ob er zustimmen würde, in zukünftigen Gerichtsverfahren als Zeuge auszusagen. Ich traf mich in der Folge mit Mr. Cook, und er identifizierte den Passagier in seinem Volkswagen als seinen Geschäftspartner Kenneth Freeman. William Cook bekräftigte erneut, dass weder sein Bruder Mumia Abu-Jamal noch er selbst den Polizeibeamten Faulkner erschossen haben. Laut Mr. Cook erzählte ihm Mr. Freeman später, dass es einen Plan zur Ermordung des Polizeibeamten Faulkner gegeben habe, dass Freeman an dem Plan beteiligt gewesen sei und dass Freeman in dieser Nacht bewaffnet gewesen sei und an der Erschießung teilgenommen habe. Cook enthüllte mir auch, dass der Polizeibeamte Robert Shoemaker, der laut Bericht nach der Schießerei einer der ersten Beamten am Tatort gewesen sein soll, Cook bekannt war und häufig bei dem Verkaufsstand, den Freeman und Cook in der Innenstadt von Philadelphia hatten, herumhing und „Gras geraucht“ habe. Mr. Cook war auch damit einverstanden, dass er sich melden und seine Darstellung der Geschehnisse jener Nacht in einer beeideten Erklärung niederlegen und vor Gericht als Zeuge aussagen würde.

57. Im Mai 1999 trafen Rechtsanwalt Weinglass und ich William Cook. Bei diesem Treffen befragte Rechtsanwalt Weinglass Mr. Cook auf feindselige Weise und warnte ihn, dass er aufgrund ausstehender strafrechtlicher Anklagen verhaftet werden könnte. Bei eben diesem Treffen gab Rechtsanwalt Weinglass zu verstehen, dass er vorhabe, sich von diesem neuen Beweismaterial zu distanzieren, und kündigte an, er werde bei der Präsentation dieses Beweismaterials vor Gericht nicht zugegen sein und stattdessen eine Reise ins Ausland unternehmen. Cook bekräftigte dennoch seine Darstellung der Schießerei und unterzeichnete eine beeidete Erklärung, dass sein Bruder Mumia Abu-Jamal Officer Faulkner nicht erschossen habe.

58. Rechtsanwalt Weinglass sagte mir, dass er sich zwar weigerte, Beverly vorzuladen, aber die Zeugenaussage von William Cook vor einem Bundesgericht präsentieren würde. Doch das tat er nicht. Darüber hinaus behauptet Rechtsanwalt Weinglass in der im Oktober 1999 beim Bundesbezirksgericht eingereichten bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Petition unrichtigerweise: „Cook ist [seit 1995] wieder verschwunden.“ Diese Erklärung ist unrichtig, da sich Rechtsanwalt Weinglass in Wirklichkeit zwischen Februar und Mai 1999 mit William Cook getroffen hatte. Ich war mit William Cook in Kontakt, bis ich den Fall niederlegte, und Rechtsanwalt Weinglass hatte die Information, wie er ihn erreichen konnte. Rechtsanwalt Weinglass hatte auch eine Kopie von Mr. Cooks unterschriebener Erklärung.

Rechtsanwalt Weinglass untergrub die entlastende Zeugenaussage von William Singletary

59. Rechtsanwalt Weinglass’ Weigerung, wichtiges Beweismaterial von Arnold Beverly und William Cook für Mr. Jamals Unschuld vorzulegen, stand im Einklang mit seinem heftigen Widerstand gegen die Vorlage der entlastenden Zeugenaussage von William Singletary. Weinglass rief Singletary in der PCRA-Anhörung 1995 in den Zeugenstand, diskreditierte aber seine Zeugenaussage, schon bevor es überhaupt eine Befragung gegeben hatte.

60. Ich erfuhr erstmals von Mr. Singletarys Existenz im Sommer 1990, nachdem Mr. Jamals direkte Berufung vom Obersten Gerichtshof von Pennsylvania abgelehnt worden war, und zu einer Zeit, als es keinen Verteidiger gab, der ihn bei einem Wiederaufnahmeverfahren vertreten konnte. Nachdem ich gehört hatte, dass dieser Zeuge möglicherweise entlastende Informationen besaß, kontaktierte ich Marilyn Gelb, Mr. Jamals Rechtsanwältin bei der direkten staatlichen Berufungsverhandlung, und arrangierte ein Treffen zwischen Ms. Gelb und Mr. Singletary, an dem ich auch teilnahm und bei dem Ms. Gelb Singletarys eidesstattliche Aussage aufnahm. Er bezeugte, die Erschießung des Polizeibeamten Faulkner gesehen zu haben, dass Mr. Jamal den Beamten nicht erschossen habe, dass der Schütze ein Schwarzer gewesen sei, der eine grüne Armeejacke getragen habe – nicht Mr. Jamal oder Mr. Cook –, und dass der Schütze vom Tatort floh. Er bezeugte auch, dass Polizeibeamte unmittelbar nach der Schießerei am Tatort erschienen und dass die Hauptzeugin der Anklage Cynthia White zum Zeitpunkt der Schießerei nicht dort an der Straßenecke zugegen gewesen sei, sondern zuvor um die Ecke und die 13th Street hinunter gegangen war.

61. Ich übermittelte im Mai 1991 eine Kopie von Singletarys beeideter Aussage an Rechtsanwalt Weinglass und setzte ihn davon in Kenntnis, dass dieser Fall zusätzlich zu den vielen anderen verfassungsmäßigen Schwächen des Verfahrens substanzielle Fragen beinhaltete, nämlich die wirkliche Unschuld des Angeklagten und staatsanwaltliches/polizeiliches Fehlverhalten. Die bloße Tatsache, dass William Singletary eine entlastende Darstellung der Schießerei lieferte, machte ihn zu einem entscheidenden Zeugen, der aufgerufen und aufgebaut werden musste. Seine Aussage, dass Polizeibeamte seine bei der polizeilichen Vernehmung korrekt gemachten Erklärungen vernichtet haben und ihn bedroht haben, damit er seine Darstellung ändere, zeigt auch, wie weit das polizeiliche Fehlverhalten in dem Fall ging und dass eine gründliche Untersuchung nötig war, um das Beweismaterial zu entwirren, an dem sich die Polizei zu schaffen gemacht hatte.

62. Als ich im Mai 1994 ein Treffen mit Rechtsanwalt Weinglass und Mitgliedern seines Verteidigungsteams besuchte, bei dem ich darauf drängte, herauszufinden, was getan wurde, um Mr. Singletarys Augenzeugenbericht nachzugehen, fand ich heraus, dass Rechtsanwalt Weinglass dieser Zeugenaussage nicht nachgegangen war und dass er Mr. Singletary nicht einmal ausfindig gemacht oder befragt hatte. Tatsächlich enthüllte die Diskussion, dass er die Existenz von Mr. Singletarys Bericht sogar seinem Mitarbeiter Daniel Williams vorenthalten hatte, der gerade einen ersten Entwurf der Unterlagen für das Wiederaufnahmeverfahren vorbereitete. Dieser Entwurf enthielt keinerlei durch Beweise gestützte Behauptung polizeilichen oder staatsanwaltlichen Fehlverhaltens. Auf diesem Treffen wurde entschieden, dass es wichtig war, dem Singletary-Bericht nachzugehen. Danach unternahm Rechtsanwalt Weinglass minimale Bemühungen, Mr. Singletary ausfindig zu machen, der wegen Umzugs unter seiner ehemaligen Adresse nicht mehr zu erreichen war.

63. Mr. Singletarys entscheidende Bedeutung wurde im April 1995 unterstrichen, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten seine Entscheidung im Fall Kyles v. Whitley, 115 S. Ct. 1555 (1995) bekanntgab, die die Verpflichtung der Anklage entsprechend Brady bekräftigte, jegliche Information zu enthüllen, die die Zuverlässigkeit der polizeilichen Ermittlungen untergräbt. Schließlich wurde in Mr. Jamals im Juni 1995 eingereichtem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Zustimmung aller Verteidiger die Fälschung von Mr. Singletarys entlastender Zeugenaussage als erster Punkt angeführt, gefolgt von weiteren Fällen staatsanwaltlichen und polizeilichen Fehlverhaltens. Zur Zeit der Einreichung stimmte Rechtsanwalt Weinglass nicht nur zu, dass es wichtig war, Rechtsansprüche auf Grundlage von Singletarys Zeugenaussage geltend zu machen, sondern unterstützte auch die Beifügung von Singletarys beeideter Aussage zu unserem Wiederaufnahmeantrag.

64. Dennoch gab es während der Berufungsverhandlung im Juli und August 1995 wiederholte Auseinandersetzungen innerhalb des Verteidigungsteams, bei denen sich Rechtsanwalt Weinglass und Daniel Williams gegen die Aufrufung von Mr. Singletary als Zeugen aussprachen. Bei seinem Versuch, Singletary vom Zeugenstand fernzuhalten, brachte Rechtsanwalt Weinglass eine Menge bizarrer Ausreden als Argumente gegen die Vorladung dieses Entlastungszeugen vor – der zu diesem Zeitpunkt der einzige verfügbare Zeuge war, der aussagen konnte, dass Mr. Jamal den Beamten nicht erschossen hatte. Zum Beispiel argumentierte Rechtsanwalt Weinglass, dass Mr. Singletary unglaubwürdig oder verdächtig sei, weil zu seinen Freunden Polizeibeamte zählten – doch dieser Umstand machte Singletary eindeutig zu einem glaubwürdigeren Zeugen, denn es bedeutete, dass er keinerlei Voreingenommenheit gegenüber der Polizei hatte, die ihn möglicherweise hätte motivieren können, eine für Jamal günstige Zeugenaussage abzugeben. Gleichzeitig gaben sogar die Rechtsanwälte Weinglass und Williams zu, dass es unbestreitbar sei, dass Singletary bei der Schießerei zugegen war. Sie stimmten auch zu, dass seine Darstellung der Einschüchterung durch die Polizei gestützt wird von der seltsamen Polizeivernehmung von Vernon Jones, Streifenpolizist der Highway Patrol, zwei Tage nach der Schießerei. Die Erklärung aus der Jones-Vernehmung war auffallend, weil alles, was Jones bei seiner Vernehmung zu sagen hatte, war, dass Singletary angeblich die Schießerei nicht gesehen habe, und es war uns allen klar, dass der einzige Zweck, den die Polizei mit der Anfertigung einer solchen Aktenlage verfolgte, war, die falsche polizeiliche Zeugenaussage zu untermauern, dass Singletary nichts gesehen habe.

65. Schließlich rief Rechtsanwalt Weinglass Singletary als Zeugen auf – aber erst, nachdem er zuvor diesen entscheidenden Zeugen, bevor der überhaupt den Zeugenstand betrat, in Misskredit gebracht hatte mit seiner in öffentlicher Gerichtsverhandlung vorgetragenen Pauschalerklärung, dass Mr. Singletarys Erinnerung an die Schießerei „ungenau“ sei. Rechtsanwalt Weinglass berief Mr. Singletary „nur“ als Brady-Zeugen in den Zeugenstand und befragte ihn nur im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten von Polizeibeamten auf dem Polizeipräsidium, als sie Mr. Singletarys Zeugenaussagen zerrissen und fälschten. Dies kam für mich völlig überraschend, da Rechtsanwalt Weinglass verheimlicht hatte, dass er Singletary befragen wollte, um ihn als Zeugen zu unterminieren und zu diskreditieren. In völliger Missachtung seiner Verantwortung, als Anwalt seines Mandanten zu handeln, weigerte sich Rechtsanwalt Weinglass, Singletary in direktem Verhör Fragen zu stellen, die den Kern seines Augenzeugenberichtes betrafen.

66. Rechtsanwalt Weinglass’ sogenannte „Strategie“, Mr. Singletary als einen „Brady“-Zeugen vorzuladen und gleichzeitig seinen tatsächlichen Augenzeugenbericht in Misskredit zu bringen, widerspricht vollständig den Grundsätzen der Brady-Lehre, denn die Begründung eines Rechtsanspruchs aufgrund polizeilichen Fehlverhaltens verlangt den Nachweis, dass das unterdrückte Beweismaterial den Ausgang des Prozesses hätte beeinflussen können. Im Falle von Mr. Singletary Voreingenommenheit nachzuweisen würde erfordern klarzustellen, dass seine wahre Zeugenaussage festgestellt habe, dass Mr. Jamal den Beamten nicht erschossen hat. Durch die Unterminierung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen sabotierte Rechtsanwalt Weinglass Mr. Jamals Interessen. Die Anklage nutzte Rechtsanwalt Weinglass’ haltlose Behauptungen, dass Mr. Singletarys Darstellung „ungenau“ sei, weidlich aus und betitelte diesen Abschnitt ihres Schriftsatzes an den Obersten Gerichtshof von Pennsylvania folgendermaßen: „Die PCRA-Zeugenaussage von William Singletary war unglaubwürdig – wie es der Verteidiger vorhersagte, bevor er ihn als Zeugen aufrief.“

67. In seiner beeideten Erklärung vom 10. April 2001 bestätigt Rechtsanwalt Williams, dass es seine und Rechtsanwalt Weinglass’ Absicht war, „Singletary an der Zeugenaussage darüber, was er angeblich am Ort des Verbrechens beobachtet hatte, zu hindern“ und diesen Zeugen in Misskredit zu bringen (Williams’ Hervorhebung). Er bestätigt außerdem, dass die bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Papiere, die er und Rechtsanwalt Weinglass einreichten, „nirgendwo geltend machten ... dass Singletarys Darstellung ... geglaubt werden sollte“. In seiner eidesstattlichen Erklärung vom 21. März 2001 im Fall Jamal vs. St. Martin’s Press erklärt Williams fälschlich: „Nie hat das Verteidigungsteam in irgendwelchen bei Gericht eingereichten Dokumenten auch nur versucht geltend zu machen, dass Mr. Singletarys Darstellung darüber, was er angeblich in der Nacht des Mordes beobachtet habe, irgendwie zu verteidigen oder zu unterstützen sei.“ Dies widerspricht Argumenten, die in Rechtsmemoranden vorgebracht wurden, die während des Wiederaufnahmeverfahrens beim Obersten Gerichtshof von Pennsylvania eingereicht wurden, als ich Mitglied des Verteidigungsteams war. Darin bekräftigten wir, dass Singletarys Tatsachendarstellung in ihrem wesentlichen Kern exakt sei – dass Mr. Jamal unschuldig ist und dass ein Schwarzer, nicht Jamal oder Cook, Officer Faulkner erschoss und vom Tatort floh. Rechtsanwalt Williams’ beeidete Erklärung unterstreicht die Tatsache, dass die bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Papiere, die er und Rechtsanwalt Weinglass einreichten, es nicht nur unterließen, den Fall durch die Berücksichtigung neuen Beweismaterials für Jamals Unschuld voranzubringen, sondern Beweismaterial und Beweisführungen, die bereits beim Berufungsverfahren vorgelegt worden waren, untergruben und aushöhlten.

Rechtsanwalt Weinglass untergrub die Verteidigung auch auf andere Weise, unter anderem durch seine Unterlassung, das erfundene „Geständnis“ aggressiv in Frage zu stellen

68. Der ursprüngliche Entwurf des Rechtsmemorandums für das Wiederaufnahmeverfahren wurde 1993/94 von Rechtsanwalt Williams in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Weinglass vorbereitet. Die anfängliche Zusammenstellung von Rechtsklagen, die Williams skizzierte, konzentrierte sich einzig und allein auf Fragen hinsichtlich eines ordentlichen Gerichtsverfahrens und enthielt keine Anträge hinsichtlich tatsächlicher Unschuld und polizeilichen und staatsanwaltlichen Fehlverhaltens nach Brady. Die Beweisfragen, die Rechtsanwalt Williams aufwarf, bezogen sich auf das Beweismaterial, das bereits Rechtsanwalt Jackson im Prozess von 1982 einzubringen versucht hatte – Veronica Jones, Gary Wakshul, Beweise zu Robert Choberts krimineller Vorgeschichte und die Tatsache, dass der Verteidigung keine finanziellen Mittel für Ermittler oder Sachverständige zur Verfügung gestellt wurden – und auf Jacksons Ineffektivität dabei. Jonathan Piper und ich bestanden darauf, dass in dem Antrag auf Wiederaufnahme das vorhandene Beweismaterial für Mr. Jamals Unschuld und für das polizeiliche und staatsanwaltliche Fehlverhalten bei der Unterdrückung und Fabrizierung von Beweisen vorgelegt werden müsse, einschließlich des erdichteten Geständnisses und der Zeugenaussage William Singletarys. Die groben Verletzungen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens beim Prozess 1982 waren Folge der Tatsache, dass ein Unschuldiger aufgrund gefälschter Beweise angeklagt wurde.

69. Wie weiter oben erörtert, entwarf Jonathan Piper in den paar Monaten vor der Einreichung der PCRA-Petition eine Klage auf Grundlage von Brady als Einleitung zu den Wiederaufnahmedokumenten. Er entwarf auch die zusammenfassende Einleitung des Wiederaufnahmeantrags, die feststellte: „Der Kläger Jamal wurde für ein Verbrechen verurteilt, das er nicht begangen hat, und aufgrund seiner politischen Ansichten und seiner Vergangenheit zum Tode verurteilt.“ In diesem Zusammenhang bereitete ich einen Offenlegungsantrag vor mit der Absicht, die Akten von Staatsanwaltschaft und Polizei einzusehen zum Nachweis von Jamals Unschuld und von polizeilichem und staatsanwaltlichem Fehlverhalten, das den Prozess und das Urteil durchzog. Erst als es den Anschein hatte, dass die Rechtsanwälte Weinglass und Williams dieser Herangehensweise zustimmten, trat ich offiziell dem Verteidigungsteam bei. Doch wie oben ausgeführt, stellte sich heraus, dass ihre Zustimmung äußerst kurzlebig war.

70. Als die Wiederaufnahmedokumente am 5. Juni 1995 eingereicht wurden, hatte Gouverneur Thomas Ridge bereits einen Hinrichtungsbefehl für Mr. Jamal ausgestellt. Die schlichte Wahrheit ist, dass zu diesem Zeitpunkt Rechtsanwalt Weinglass nur minimale Vorbereitungen für ein Beweisaufnahmeverfahren getroffen hatte. Jonathan Piper und ich drängten die Rechtsanwälte Weinglass und Williams, die die Vorführung von Zeugen bei der Verhandlung übernehmen sollten, mit den Vorbereitungen zur Verhandlung zu beginnen für den Fall, dass Richter Sabo – aufgrund seiner offenkundigen Voreingenommenheit für die Anklage – jegliche Offenlegung und eine vernünftige Vorbereitungszeit verweigern und stattdessen das anstehende Hinrichtungsdatum als Rechtfertigung dafür benutzen würde, das Verfahren zu beschleunigen. Letztendlich tat Richter Sabo genau das. Rechtsanwalt Weinglass’ Antwort auf unser Drängen war: „Ich kann mich damit nicht befassen“, und dass ihm unsere Vorschläge „Kopfschmerzen bereiten“. Er beharrte darauf, dass ein Beweisaufnahmeverfahren, sollte es überhaupt eines geben, frühestens in sechs Monaten stattfinden werde. Als Folge davon, dass er keinerlei Vorbereitungen für die Verhandlung traf, war das Verteidigungsteam unvorbereitet, als das PCRA-Gericht unkorrekterweise darauf bestand, dass die Verteidigung im Juli 1995 mit der Präsentation ihrer Beweise beginnen solle. Die Rechtsanwälte Weinglass und Williams hatten zu dem Zeitpunkt, als wir die Wiederaufnahmepapiere einreichten, weder eine Zeugenliste noch eine systematische Liste der Beweise und noch nicht einmal einen Entwurf für die Durchführung eines Beweisaufnahmeverfahrens. Wegen ihrer fehlenden Vorbereitungen fiel es mir zu, die Aufgabe der Organisierung des Beweisaufnahmeverfahrens, die Mobilisierung der Zeugen, die Ausfertigung von Vorladungen, die Versuche, Offenlegungen sicherzustellen, die Ermittlungen, um wichtige Zeugen zur Vorladung und Vernehmung ausfindig zu machen, und die Vorbereitung von Gerichtsdokumenten und anderen wichtigen Informationen zu übernehmen.

71. In dieser Zeit unterrichteten uns Experten für Kapitalverbrechensprozesse aus Pennsylvania über einen Präzedenzfall, bei dem bundesstaatliche und Bundesgerichte angesichts eines anstehenden Hinrichtungsbefehls den gesamten Durchgang anfänglicher Berufungsverfahren und bundesgerichtlicher Habeas-Corpus-Verfahren innerhalb eines Zeitraums von Wochen abschlossen und bei dem das Berufungsgericht der Vereinigten Staaten für den Dritten Gerichtsbezirk ein solches Vorgehen 1993 im Fall des Häftlings Kenneth DeShields aus Delaware erlaubt hatte, was zu einer Ausschöpfung aller Habeas-Verfahren und letztendlich zu seiner Hinrichtung innerhalb weniger Wochen geführt hatte. Daher warnten uns Experten für Kapitalverbrechensprozesse aus Pennsylvania im Juni 1995, dass es keine rechtliche „Garantie“ für einen Aufschub von Mr. Jamals für August 1995 angesetzte Hinrichtung gebe.

72. Bis zum Beginn der Wiederaufnahmeverhandlung hatten die Rechtsanwälte Weinglass und Williams einige wirkliche Vorbereitungsbemühungen nur zu den Punkten der ineffektiven anwaltlichen Unterstützung und der Zeugenaussage von Dessie Hightower unternommen. Obgleich ich nicht in die Vorbereitungen von Rechtsanwalt Anthony Jacksons Zeugenvernehmung einbezogen war, ist im Rückblick Folgendes offensichtlich: Die Rechtsanwälte Weinglass und Williams gingen an diesen Zeugen nicht unter dem Gesichtspunkt heran, neue Beweise aufzudecken, die vorzulegen Jackson versäumt hatte; und die Befragung von Rechtsanwalt Jackson durch Rechtsanwalt Weinglass bei der Wiederaufnahmeverhandlung war unzulänglich, weil Weinglass es unterließ, Jacksons Aussage aktenkundig zu machen, dass er es versäumt hatte, mehreren verschiedenen Möglichkeiten der Verteidigung nachzugehen. Beispiele für diese Versäumnisse waren, William Cook nicht als Zeugen aufgerufen zu haben oder den Polizeibeamten Stephen Trombetta vorgeladen zu haben, der wiederholt und ausdrücklich erklärt hatte, dass Jamal nichts gestanden hatte. Darüber hinaus unterließ es Rechtsanwalt Weinglass, die Rechtsanwältin Marilyn Gelb als Zeugin aufzurufen zur Stützung von Mr. Jamals Klage über einen ineffektiven Rechtsbeistand im Berufungsverfahren, und er stimmte zu, über eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefundene Diskussion – Berichten zufolge über ihren Gesundheitszustand – Stillschweigen zu bewahren.

73. Rechtsanwalt Weinglass und sein Mitarbeiter Daniel Williams versäumten es auch, die zwei Monate nach der Schießerei erfundene Behauptung grundlegend anzufechten, Jamal habe im Krankenhaus ein „Geständnis abgelegt“, als er zur Behandlung seiner Schusswunde eingeliefert wurde. Der einzige Beweis, den sie zu dieser Frage bei der Wiederaufnahmeverhandlung vorlegten, war die Zeugenaussage des Polizeibeamten Gary Wakshul, der weiterhin fälschlich behauptete, Jamal habe tatsächlich gestanden – trotz seiner Aussage vom 9. Dezember 1981, Jamal habe „sich nicht geäußert“. Jedoch enthüllte Wakshul in der Wiederaufnahmeverhandlung, dass das angebliche Krankenhaus-Geständnis erstmals im Februar 1982 bei einem Treffen aller an dem Fall beteiligten Polizeizeugen am runden Tisch unter der Leitung des Staatsanwaltes Joseph McGill aufgebracht wurde. Dennoch weigerten sich Weinglass und Williams, dieser neuen Information nachzugehen, die eine vorsätzliche staatsanwaltliche Beteiligung an der Fälschung dieses Beweises nahelegte.

74. Tatsächlich verzichtete Rechtsanwalt Weinglass zwei Tage nach Wakshuls Zeugenaussage darauf, den Prozessankläger Joseph McGill als Zeugen zu befragen, nachdem dieser vorgeladen worden war. Damit versäumte er es, dessen Fehlverhalten bezüglich des Geständnisses und einer Reihe anderer Beweisfragen – darunter Versprechungen, die den Zeugen der Anklage White und Chobert gemacht worden waren – sowie sein Fehlverhalten bei der Geschworenenauswahl und im Schlussplädoyer aktenkundig zu machen. Durch die Unterlassung, McGill aufzurufen, wurde auch die Fähigkeit der Verteidigung untergraben, die Entwicklung aufzuzeigen von Inspector Giordanos ursprünglicher Falschaussage, Jamal habe am Tatort im Polizeiwagen ein „Geständnis abgelegt“, bis zu der späteren, bei McGills Treffen am runden Tisch aufgekommenen falschen Behauptung, Jamal habe im Krankenhaus „gestanden“. Die Entwicklung von Giordanos Geschichte – die bei der Vorverhandlung vor dem Treffen am runden Tisch präsentiert wurde – zu der darauf folgenden Krankenhausgeständnis-Geschichte im Prozess legt eine Entscheidung McGills nahe, dass Giordanos Version zu riskant war. Denn McGill hatte Informationen darüber, dass gegen Giordano im Zuge einer bundespolizeilichen Untersuchung wegen Korruption ermittelt wurde. Bei der Vorbereitung des bundesgerichtlichen Verfahrens bestand Rechtsanwalt Weinglass darauf, dass er die Frage der Geständnisse nicht weiterverfolgen werde, wenn dies erforderte, der Staatsanwaltschaft vorsätzliches Präsentieren falscher Beweise vorzuwerfen.

75. Der Polizeibeamte Stephen Trombetta war ein wichtiger Zeuge zur Widerlegung Giordanos, weil Trombetta Giordanos Behauptung, Jamal habe nach seiner Verhaftung hinten im Polizeiwagen gesagt, er habe den Officer erschossen, nicht stützte. Trombetta war ein entscheidender Zeuge, da er als Wakshuls Partner die ganze Zeit von Jamals Verhaftung bis zu dessen medizinischer Behandlung bei Jamal war. In zahlreichen Berichten stellte Trombetta fest, dass Jamal keine Erklärungen abgab, auch nicht im Krankenhaus. Trombetta stützte nie eine der falschen Behauptungen, dass Jamal gestanden habe. Außerdem, wie oben angesprochen, berichtete Trombetta, „der Verdächtige“ habe eine „grüne Armeejacke“ getragen. Doch Rechtsanwalt Weinglass wollte Trombetta in der Wiederaufnahmeverhandlung nicht als Zeugen aufrufen und unterließ es, die notwendige gerichtliche Anordnung für eine Vorladung zu beantragenund so die Aussage dieses in einem anderen Bundesstaat lebenden Zeugen zu erzwingen.

76. Allgemein machten die Rechtsanwälte Weinglass und Williams keinen ernsthaften Versuch, Beweise vorzulegen, um die anderen Prozesszeugen, die fälschlich behaupteten, Jamal habe „gestanden“ – den Polizeibeamten Gary Bell und Priscilla Durham vom Sicherheitsdienst – zu diskreditieren. Sie stellten auch nicht in Frage, dass die Staatsanwaltschaft eine maschinengeschriebene Erklärung, die angeblich Priscilla Durhams Darstellung wiedergibt, von der sich aber Durham selbst distanzierte, fabrizierte und unzulässigerweise ins Prozessprotokoll von 1982 einführte. Auch das war eine Angelegenheit, die bei Staatsanwalt McGill hätte weiterverfolgt werden müssen.

77. Im Anschluss an die Wiederaufnahmeverhandlung sahen Jonathan Piper und ich im Rahmen der Vorbereitungen auf die Habeas-Corpus-Verhandlung vor dem Bundesgericht die Akten bezüglich des Geständnisses durch, das unserem Empfinden nach von den Rechtsanwälten Weinglass und Williams nur unzulänglich angesprochen worden war, und arbeiteten zahlreiche neue Unstimmigkeiten heraus, die ein weiterer Nachweis dafür waren, dass das behauptete Geständnis eine Fälschung war. Obwohl wir diese Analyse ausdrücklich für die Rechtsanwälte Weinglass und Williams erstellten, nahmen sie sie nicht in ihre bundesgerichtliche Habeas-Petition auf. Zum Beispiel ermittelten wir, dass die Darstellungen des „Geständnisses“, die verschiedene Polizeibeamte und Leute vom Sicherheitsdienst lieferten, überhaupt nicht übereinstimmten und sich darin widersprachen, wann und wo das Geständnis angeblich stattgefunden habe, und sogar darin, ob Jamal zum Zeitpunkt, als er angeblich gestand, „herumlief“ oder am Boden lag. Rechtsanwalt Weinglass weigerte sich auch, diese Frage bei der PCRA-Anhörung anzuführen: Er rief Dr. Anthony Colletta, der vorgeladen war und bereit stand, zu bezeugen, dass Mr. Jamal während der gesamten Zeit, als er sich in der Notaufnahme befand, keinerlei Geständnis ablegte, nicht in den Zeugenstand. Das medizinische Beweismaterial zeigt, dass in Wirklichkeit Jamal einen Lungenschuss erlitten und eine beträchtliche Menge Blut verloren hatte und nicht in der Verfassung war, ein Geständnis „herauszubrüllen“, wie behauptet.

78. Es gibt viele weitere Beispiele für Rechtsanwalt Weinglass’ Pflichtversäumnis, das darauf hinauslief, seinen Mandanten im Stich zu lassen, von denen einige im Folgenden behandelt werden. Während der Wiederaufnahmeverhandlung unterließ es Rechtsanwalt Weinglass, in direkter Vernehmung des Zeugen Robert Chobert (oder in einem Beweisantrag) die Tatsache vorzubringen, dass Chobert 1995 einem Ermittler der Verteidigung gesagt hatte, seine Aussagen bei der polizeilichen Vernehmung von 1981 seien hinsichtlich ihrer Beschreibung dessen, was er gesehen hatte, sachlich unrichtig gewesen. Rechtsanwalt Weinglass unterließ es, Arnold Howards Zeugenaussage vorzubringen, dass Ken Freeman zugegeben habe, Passagier in William Cooks Wagen und am Tatort anwesend gewesen zu sein. Rechtsanwalt Weinglass’ Unterlassung, den Prozessankläger Joseph McGill in den Zeugenstand zu rufen, beeinträchtigte unsere Geltendmachung eines Rechtsanspruchs nach Batson, weil wir McGills behauptete Gründe für seine Ablehnung schwarzer und weißer Geschworener nicht aktenkundig machen konnten, um zu beweisen, dass jegliche geltend gemachten Gründe für die Ablehnung schwarzer Geschworener, die sich nicht auf Rassenzugehörigkeit bezogen, vorgeschoben waren.

79. In der Wiederaufnahmeverhandlung von 1995 riet Rechtsanwalt Weinglass Mr. Jamal, nicht selbst zu seiner Verteidigung auszusagen, und sagte Mr. Jamal, er solle abwarten und erst bei einer Neuverhandlung seines Falles in den Zeugenstand treten. Diese Anweisungen widersprachen Mr. Jamals ureigensten Interessen, denn sie hielten ihn davon ab, zu bezeugen, dass er Officer Faulkner nicht erschossen hat und unschuldig ist. Rechtsanwalt Weinglass gab vor der Presse wiederholt Erklärungen ab, Mr. Jamal würde eine Darstellung dessen, was „wirklich geschah“, vorlegen, wenn er bei einem neuen Prozess aussagen würde. Dies geschah in eklatanter Missachtung der Tatsache, dass Mr. Jamal eine solche Darstellung nicht geben konnte und auch nie würde geben können, weil er die Erschießung von Officer Faulkner nicht gesehen hat.

80. Die ballistischen und anderen Sachbeweise waren ein weiterer entscheidender Bestandteil des Falles und erforderten nachdrückliche Ermittlung, Aufdeckung und Prüfung, aber Rechtsanwalt Weinglass versäumte es, dies weiterzuverfolgen. Mr. Jamal hat immer beteuert, dass er Officer Faulkner nicht erschossen hat. Die polizeilichen ballistischen und kriminaltechnischen Gutachten stellen fest, dass die polizeilichen Untersuchungen dieses Beweismaterials ergebnislos waren, weil sie nicht den Nachweis erbringen konnten, dass irgendeins der am Tatort oder im Körper des Polizeibeamten Faulkner gefundenen Projektile aus Mr. Jamals Schusswaffe stamme. Untersuchungen der ballistischen und der Sachbeweise, einschließlich DNA-Untersuchungen, könnten u. a. entscheidend sein für den Nachweis, dass Mr. Jamals Waffe nicht dazu benutzt wurde, den Officer zu erschießen, dass andere Schusswaffen am Tatort abgefeuert wurden, dass andere Personen am Tatort anwesend waren oder dass Sachbeweise von der Polizei manipuliert oder untergeschoben wurden.

81. Trotz der zentralen Bedeutung der Ballistik- und Sachbeweise ging Rechtsanwalt Weinglass diesem Aspekt des Falles nicht ernsthaft nach. Vor der Wiederaufnahmeverhandlung erstreckten sich seine diesbezüglichen Bemühungen auf die Verpflichtung zweier Experten, die darlegten, dass es für die Verteidigung von Nutzen gewesen wäre, finanzielle Mittel zur Bezahlung der Dienste medizinischer und ballistischer Experten zu bekommen. Doch es gab keinen Versuch, einen Experten zu beauftragen, um wirklich Untersuchungen des Beweismaterials durchzuführen. Rechtsanwalt Weinglass’ Ballistikexperte George Fassnacht machte geltend, ein Interessenskonflikt hindere ihn daran, derjenige zu sein, der das Beweismaterial untersucht.

82. Als das Gericht am 20. Juli 1995 der Verteidigung erlaubte, die Sachbeweise zu inspizieren und zu untersuchen, unternahm es Rechtsanwalt Weinglass nicht selbst, die Beweise zu inspizieren, und sagte mir, er würde das nicht tun, aber ich könnte hingehen. Infolgedessen wurde ich mangels Alternativen verantwortlich für die Prüfung der Sachbeweise und die folgende Konsultation mit Experten, obgleich ich zum damaligen Zeitpunkt mit Ballistik und Kriminaltechnik nur wenig vertraut war. Zu diesen Sachbeweisen gehörten die Waffen, die angeblich Officer Faulkner und Mumia Abu-Jamal getragen hatten, und ihre jeweilige Kleidung, die Blutspuren, Löcher und Risse aufwies. Ebenso inspiziert werden konnten die Schaubilder, die die Anklage benutzt hatte, um Zeugen den Tatort vorzuführen, und auch der Klinikbereich, wo Jamal angeblich ein Geständnis abgelegt hat. Eine Tonbandaufzeichnung einer Befragung von Cynthia White sowie eine Tonbandaufzeichnung der Polizeifunkübertragungen konnten ebenfalls angehört werden. Meines Wissens war das das einzige Mal in ungefähr 13 Jahren, dass die Sachbeweise in Augenschein genommen wurden, und selbst der Zustand der Verpackung des Beweismaterials würde für einen zukünftigen Prozess potenziell von Bedeutung sein. Doch Rechtsanwalt Weinglass übernahm für diese Prüfung des Beweismaterials keine Verantwortung.

83. In der Periode nach der Berufungsverhandlung versuchte ich, weil Rechtsanwalt Weinglass nicht sorgfältig den Fragen der Ballistik und der Sachbeweise nachging, einen Plan zu entwickeln, um vor dem Bundesgericht den relevanten Funden und Testuntersuchungen, einschließlich DNA-Untersuchungen, nachzugehen. Während der Diskussionen über die Frage, ob Arnold Beverly als Zeuge präsentiert werden sollte, argumentierte ich wiederholt, dass Beverlys Darstellung einen Zugang zu wissenschaftlichen Untersuchungen der Sachbeweise eröffnen würde. Die Vorlage seiner Aussage würde die Chancen erhöhen, die Zustimmung des Gerichts für die Durchführung von Untersuchungen zu bekommen, die entscheidend sein könnten für die Widerlegung der Theorie der Staatsanwaltschaft über den Fall und für den Nachweis von Mr. Jamals Unschuld. Doch das Gerichtsprotokoll der Habeas-Corpus-Verhandlung zeigt, dass bei all den Fragen, die sich hinsichtlich der ballistischen und anderen Sachbeweise stellten, das einzige Ersuchen, das vorgebracht wurde, die Frage betrifft, ob eine Untersuchung auf Metallrückstände vorgenommen worden sei.

Mein Rücktritt vom Verteidigungsteam 1999

84. Ich trat vom Verteidigungsteam Anfang Juli 1999 zurück, zusammen mit Jonathan Piper. Der unmittelbare Anlass für unseren Rücktritt war, dass Rechtsanwalt Weinglass als Hauptverteidiger Jamal über die rechtliche Bedeutung von Beverlys Geständnis täuschte und sich hartnäckig weigerte, eine ergänzende Berufungspetition auf Grundlage der beeideten Erklärungen Arnold Beverlys und William Cooks einzureichen in Verbindung mit unterstützenden eidesstattlichen Erklärungen und Forderungen nach Offenlegung und nach Untersuchung der Sachbeweise, einschließlich DNA-Tests. Rechtsanwalt Weinglass’ Weigerung, Beverlys und Cooks Erklärungen einzubringen, brachte mich auch endgültig zu der Erkenntnis, dass Rechtsanwalt Weinglass nicht die Verteidigung durchführen würde, die für unseren unschuldigen Mandanten erforderlich war, dass er nicht den notwendigen Angriff auf das massive staatsanwaltliche Fehlverhalten, das den Fall durchzieht, aufnehmen würde und dass er nicht auf Offenlegungen, wissenschaftliche Untersuchungen der Sachbeweise und auf ein bundesgerichtliches Beweisaufnahmeverfahren hinarbeitete. Mit der endgültigen Erkenntnis, dass Hauptverteidiger Weinglass, egal wie die Beweislage auch sei, verhindern würde, dass die notwendigen Schritte unternommen würden, um einen Unschuldigen zu verteidigen und für die Aufhebung von Jamals ungerechter Verurteilung zu kämpfen, war es mir nicht länger möglich, in ethisch vertretbarer Weise in seinem Anwaltsteam mitzuarbeiten.

85. Mir sind gewisse Tatsachen bekannt, die möglicherweise zu einer Erklärung beitragen, weshalb Rechtsanwalt Weinglass in so eklatanter Missachtung der ureigensten Interessen seines Mandanten handelte. Rechtsanwalt Weinglass berichtete mir vor der Einreichung der Wiederaufnahmepetition, dass er von Ronald Freeman, dem Bruder von Kenneth Freeman dem Mann, der nach Cooks zwischenzeitlicher eidlicher Aussage an der Erschießung des Polizeibeamten Faulkner beteiligt war, körperlich bedroht worden sei. Einige Zeit vor der Einreichung der Wiederaufnahme im Jahre 1995 erhielt Rechtsanwalt Weinglass einen Drohanruf von Ronald Freeman, der damals im Gefängnis gewesen sein soll. Rechtsanwalt Weinglass zufolge rief ihn Ronald Freeman aus dem Büro des Gefängniswärters an und sagte, dass Weinglass, sollte er es wagen, Kenneth Freeman als den Schützen zu benennen, in körperlicher Gefahr sei. Rechtsanwalt Weinglass sagte, dieser Anruf habe ihn bestürzt und ihm Angst eingejagt, vor allem deshalb, weil der Anruf aus dem Büro des Gefängniswärters gekommen sei, was ein Zusammenspiel staatlicher Stellen bei der Behinderung der Ermittlungen und der Einschüchterung des Verteidigungsteams nahelegte. Während und nach dem Wiederaufnahmeverfahren berichtete ein von Rechtsanwalt Weinglass zur Befragung amtierender und ehemaliger Polizeibeamter von Philadelphia angeworbener Privatdetektiv ebenfalls, er habe von Drohungen gehört, dass sich die Polizei um das Verteidigungsteam „kümmern“ würde. Es mag wohl sein, dass im Lichte dieser Drohungen Rechtsanwalt Weinglass die Konsequenzen fürchtete, die es mit sich bringen könnte – einschließlich einer Bedrohung seines Lebens und seiner Sicherheit –, wenn er eine gründliche Untersuchung der wahren Fakten über den Tod des Polizeibeamten Faulkner durchführen und dieses Beweismaterial vor Gericht präsentieren würde.

86. Dass Drohungen gegen Mumia Abu-Jamals Rechtsanwälte ausgesprochen werden würden, passt zu dem allgemeinen erhitzten Klima, das diesen Fall umgibt. Die Versuche der Fraternal Order of Police [FOP], im ganzen Land Mumia Abu-Jamals Unterstützer und potenzielle Unterstützer einzuschüchtern, sind wohlbekannt. Die FOP hat eine breit publizierte und wohlfinanzierte nationale Kampagne geführt mit der Forderung nach Jamals Hinrichtung. Die FOP bedient sich der Witwe Officer Faulkners als Speerspitze und geht in den Medien mit Lügen und Drohungen gegen Jamals Unterstützer hausieren und versucht Menschen, die Jamal verteidigen, von der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung abzuschrecken, von Musikern, die Wohltätigkeitskonzerte zu organisieren versuchen, bis hin zu Studenten, die dafür abstimmten, auf ihren Abschlussfeiern Jamals Botschaften zu hören.

87. Rechtsanwalt Weinglass’ Behinderung der Ermittlungen und seine Weigerung, Beweismaterial zur Entlastung von Mr. Jamal vorzulegen, stellten eine grundlegende Illoyalität gegenüber seinem Mandanten dar und waren der Durchführung eines rechtlichen Kampfes für die Freiheit Mumia Abu-Jamals entgegengesetzt. Rechtsanwalt Weinglass gab nicht nur jegliches Eintreten für Mumia Abu-Jamal auf, sondern erklärte ihn faktisch für schuldig wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen hat.

88. Konkret dokumentiert wird diese Abdankung als Rechtsbeistand in der bundesgerichtlichen Habeas-Corpus-Petition, die von den Rechtsanwälten Weinglass und Williams im Oktober 1999 eingereicht wurde. Dieses Dokument unterlässt es nicht nur, das Geständnis Arnold Beverlys vorzulegen, es enthält auch weder Mumia Abu-Jamals eigene Erklärung über seine Unschuld noch die entlastende Zeugenaussage von William Cook. Die Habeas-Corpus-Petition und das begleitende Memorandum enthalten nichts aus der erheblichen Menge entlastenden Materials in Bezug auf das gefälschte Geständnis und anderes polizeiliches und staatsanwaltliches Fehlverhalten, das in dem Zeitraum nach der Wiederaufnahmeverhandlung erschlossen wurde. Die Beweise für Mumia Abu-Jamals Unschuld und der Nachweis der groben Verletzung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens durch polizeiliches, staatsanwaltliches und richterliches Fehlverhalten wurden von Rechtsanwalt Weinglass vorsätzlich unterdrückt.

89. Diese eidesstattliche Erklärung wird vorgelegt, um die Behauptungen der Staatsanwaltschaft zu widerlegen – die auf dem falschen und eigennützigen Buch von Williams, das von Rechtsanwalt Weinglass unterstützt wird, beruhen –, dass die Präsentation von Arnold Beverlys Zeugenaussage der „Propagierung einer Lüge“ gleichkäme. Vielmehr, wie oben ausgeführt, erhärten eine Untersuchung der gesamten Geschichte dieses Falls und die durch jahrelange Ermittlungen erbrachten Informationen unabhängig voneinander Arnold Beverlys Geständnis, dass er und nicht Mumia Abu-Jamal den Polizeibeamten Faulkner erschossen hat. Diese eidesstattliche Erklärung enthält ganz gewiss nicht erschöpfend sämtliche Informationen, die ich über die Jahre als Jamals Rechtsbeistand erhalten habe und die seine Unschuld und das massive polizeiliche und staatsanwaltliche Fehlverhalten beweisen, das seine Verurteilung und die Verhängung der Todesstrafe zur Folge hatte. Das Versäumnis, dieses Beweismaterial 1999 vor Gericht zu präsentieren, war einzig und allein Folge davon, dass die Rechtsanwälte Weinglass und Williams ihren Mandanten im Stich ließen, indem sie dieses entscheidende Beweismaterial für Mumia Abu-Jamals Unschuld unterdrückten.

90. Ich bin in der Lage alles, was in dieser eidesstattlichen Erklärung dargelegt wird, zu bezeugen und würde im Falle einer Vorladung als Zeugin genau dies tun.

(gezeichnet)

RACHEL H. WOLKENSTEIN